Freitag, 5. November 2010

Willkommen in der Provinz!

Ein kurzer Bericht darüber, warum es in Hamburg nicht gelingen will, antisemitische Schläger unmöglich zu machen – erst recht nicht linke.

Als am 25. Oktober 2009 Aktivist_innen der B5, der Sozialistischen Linken (SoL) und der Tierrechtsaktion Nord (TAN) eine vom b-movie und der Gruppe Kritikmaximierung geplante Vorführung von Claude Lanzmanns Film »Pourquoi Israël« gewalttätig verhinderten, hatte der militante Hamburger Antizionismus eine neue Qualität angenommen. Statt, wie in früheren Vorfällen dieser Art, gegen politisch missliebige Gruppen und Einzelpersonen loszuschlagen, hatte man unmittelbar das Werk eines jüdischen Intellektuellen angegriffen; ein Werk zudem, das ganz im Zeichen der Frage nach jüdischer Emanzipation steht. In Reaktion darauf gründete sich das Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten, welches für den 13. Dezember 2009, parallel zur Neuansetzung von Warum Israel im b-movie, eine Demonstration unter dem Motto »Antisemitische Schläger unmöglich machen – auch linke!« organisierte.

Wenn wir nun, nach erfolgter politischer Arbeit, die Aktivitäten noch einmal Revue passieren und ihre Erfahrungen und Ergebnisse einer interessierten Öffentlichkeit zukommen lassen, folgen wir damit der schönen linken Tradition des ‘Auswertungspapiers’. Freilich nicht im Sinne eines letzten, schweifenden Blicks vom Feldherrenhügel, bevor es wieder hinab in die Mühen der Ebene geht. Wenn etwas an der Intervention des Bündnisses von Interesse ist, dann nicht irgendeine weltbewegende Praxis – sondern die Bedingungen, unter denen sie stattfand. Die dem angemessene Form ist somit die Schmähkritik: die Schmach derjenigen noch schmachvoller zu machen, die sich selbst von offen antisemitischen Taten nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wie sich rund um die Demonstration vom 13.12. einmal mehr gezeigt hat, sind das, unter Bürgern wie unter Linken, die überwältigende Mehrheit.

Die Broschüre »Willkommen in der Provinz!« zum Download:
http://studienbibliothek.org/texte/BGHU_Bericht.pdf

Wer die Druckausgabe bestellen möchte, schicke bitte einen frankierten Rückumschlag (1-5 Stück: € 0,85; 6-10: € 1,40) an die Hamburger Studienbibliothek, Hospitalstr. 85 / Souterrain, 22767 Hamburg. Für größere Mengen Kontakt unter: hsb@studienbibliothek.org

Sonntag, 17. Oktober 2010

Uniform Panzer Kokon

25.10.2010: Ein Abend mit Film und Text gegen linken Israelhass

Hamburger Erstaufführung von "Uniform, Panzer, Kokon – Militärdienst in Israel" (D. 2009, R.: Nina Bittcher und Jean-Philipp Baeck)

Wie in keinem anderen Land der Welt ist das Leben in Israel bedroht von permanenten, oft kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern. Dieser Film zeigt die Konsequenzen daraus für junge Israelinnen und Israelis: Der Militärdienst erfordert durch die Konfrontation mit großer Verantwortung, mit Gewalt und Tod von den Jugendlichen zumeist ein abruptes Erwachsenwerden. Vier junge Israelis rekapitulieren ihre Erfahrung des aktiven Einsatzes und reflektieren das Verhältnis von Militär und ihrem zivilen Leben. Der Film gibt Einblick in die komplexe, mitunter ambivalente Sichtweise der interviewten Israelis auf diese prägende Zeit ihres Lebens. Er geht der Frage nach, was es überhaupt bedeutet in einem Land zu leben, in dem Militärdienst selbstverständlich ist.
Mehr Infos zum Film: http://www.militaerdienst-in-israel.de/index.htm

Im Anschluss gibt es Gelegenheit zur Diskussion mit der Regisseurin.

Vorrätig sein wird am Abend zudem erstmals die Broschüre "Willkommen in der Provinz!", eine Auseinandersetzung des Bündnisses mit dem gewalttätigen Antisemitismus in der Hamburger Linken und dessen Tolerierung durch den linken Mainstream. Der Text entstand als Reaktion auf die militante Blockade der Vorführung von Lanzmanns Film "Warum Israel" am 25.10.2009.
Wer anschließend noch bei netter Musik lesen, diskutieren, trinken will, ist dazu herzlich eingeladen!

Kino Lichtmess, Gaußstr. 25, Hamburg
Montag, 25.10.2010, Beginn: 19:30 Uhr. Open Door ab 19 Uhr.

Freitag, 30. Juli 2010

Protestaktion gegen Norman Paech, Kriegstreiber

Mitglieder des »Bündnisses gegen Hamburger Unzumutbarkeiten« haben am heutigen Freitag in der Gesamtschule Hamburg-Bergedorf gegen einen Auftritt des ehemaligen Bundestagsabgeordneten der »Linken«, Norman Paech, protestiert. Paech, einer der Aktivisten der »Free Gaza«-Flotte, die Ende Mai von der israelischen Regierung aufgebracht wurde, war im Rahmen der Sommerakademie des globalisierungskritischen Netzwerks »attac« als Referent zum Nahostkonflikt geladen. Die Proteste richteten sich vor allem gegen die Forderung Paechs, zukünftige Konvois der »Free Gaza«-Flotte durch die deutsche Marine schützen zu lassen. Die Protestierenden spielten dem Publikum die entsprechenden Ausschnitte aus einer Rede Paechs vom 4. Juni mit einem mitgebrachten Lautsprecher vor und verteilten Flugblätter. Mehrere Besucher reagierten erschrocken, als sie mit den Äußerungen Paechs konfrontiert wurden. Andere verhinderten mit Gewalt, dass die Mitglieder des Bündnisses an der anschließenden Diskussion teilnehmen konnten, wobei zwei Protestierende Schläge ins Gesicht abbekamen. Paech selber war zu keiner Stellungnahme bereit.

Ein Sprecher des Bündnisses erklärte dazu: »Dass Norman Paechs politisches Engagement durch seinen Hass auf Israel bestimmt wird, ist schon lange bekannt. Dass er und seine Linkspartei-Kolleginnen Groth und Höger allerdings keine Skrupel haben würden, im Rahmen der 'Free Gaza'-Flotte öffentlich gemeinsame Sache mit türkischen Islamisten und den faschistischen Grauen Wölfen zu machen, hat jedoch selbst uns schockiert. Da ist es nur folgerichtig, dass der angebliche Antimilitarist jetzt von einem deutschen Kriegseinsatz gegen den jüdischen Staat träumt. Ein Skandal allerdings ist, dass das Paech nicht etwa desavouiert, sondern er als Experte gefragter ist denn je – ob in den Tagesthemen oder bei 'attac'


Paechs Rede vom 4. Juni in der Hamburger Louise-Schröder-Schule ist hier dokumentiert: http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=35080

Der dem Publikum vorgespielte Ausschnitt der Veranstaltung (ab ca. 01:02:40) lautet vollständig:

»Frage aus dem Publikum:
Wir haben ja seit über einem Jahr vor der somalischen Küste militärische Fahrzeuge, also sprich Fregatten etcetera, die gegen Pirateneinsatz eingesetzt werden, in internationalen Gewässern. Wie du gesagt hast, Norman, wird im Herbst noch ein neuer Konvoi gestartet. Ist es legitim, dass man diesen Konvoi mit der türkischen Marine oder mit anderen Ländern, meinetwegen auch Skandinavien, beschützen kann, und im Zweifelsfall knallt man diesem faschistischen Regime in Israel einen vor den Latz? […]

Paech:
Und schließlich der Konvoi und Schutz der Marine: Eigentlich ja! Das ist eine Idee! Man könnte die Bundesmarine auffordern, den nächsten Konvoi zu begleiten, sicheres Begleit ...
[Gelächter, Applaus]«


(Pressemitteilung vom 30.7.2010)

Dienstag, 22. Juni 2010

Politische Meinungsbildung auf der »Altonale«

Es fängt, das kann man nicht anders sagen, wirklich vielversprechend an. Als wir Samstag Mittag mit elf Leuten, davon einige in selbst bedruckten T-Shirts im parteiamtlichen Plakatdesign mit der Aufschrift »Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf'm Frauendeck« (Motiv zuerst gesehen hier) auf dem Altonaer Stadtteilfest auftauchen, werden wir vor dem Info-Stand der Linkspartei begeistert willkommen geheißen: »Super T-Shirts! Seid ihr von der AG Frieden?« Dass wir das nicht sind, lässt unsere Basisinitiative jedoch gleich viel weniger angesagt erscheinen und kühlt den warmherzigen Empfang drastisch herunter. »In Gaza verhungern die Kinder. Das sind Faschisten«, erklärt einer, und ein anderer weist uns nun geradezu frostig auf die ganz großen urheberrechtlichen Probleme hin, die die »Super T-Shirts« mit sich bringen könnten.

Freitag, 18. Juni 2010

Frieden ist Krieg

Mit wem Die Linke in die Propagandaschlacht gegen Israel zieht

Druckfassung zum Download (PDF)

Selten war sich die deutsche Öffentlichkeit in ihrer Empörung einiger: »Blutiger Angriff Israels auf Gaza-Hilfsflotte« (Spiegel online); »Israel schockt den Nahen Osten« (Süddeutsche); »Angriff Israels auf Solifahrt für Gaza« (taz); »Israel ohne Maß« (FAZ) – so oder ähnlich lauteten die Überschriften, nachdem es auf einem der Schiffe der so genannten »Free Gaza«-Flotilla, der »Mavi Marmara«, zu einer blutigen Konfrontation mit der israelischen Armee gekommen war. Fast unwidersprochen kursierte zunächst die Version der an Bord befindlichen Aktivisten, Israel habe eine humanitäre Mission für das notleidende Gaza mit brutaler Gewalt verhindert und dabei kaltblütig mindestens neun Menschen erschossen. Erst nach Tagen konnten sich vereinzelt auch andere, abweichende Stimmen Gehör verschaffen.

Soviel Einigkeit, wie man sie hierzulande allenfalls noch bei Fußballweltmeisterschaften oder Schlagerwettbewerben erlebt, sollte stutzig machen. Und noch stutziger sollte machen, dass sich diese stillschweigende Gleichschaltung der öffentlichen Meinung immer dann vollzieht, wenn es um Israel geht. Als bei einem Luftangriff der Bundeswehr in Afghanistan 142 Menschen, darunter zahlreiche Zivilisten, starben, gab es hierzulande kaum spontane Empörung – und wenn, dann vor allem über die NATO-Verbündeten für deren angebliche »Vorverurteilung« des deutschen Kommandanten. Wenn es aber bei dem Versuch, eine israelische Militärblockade zu durchbrechen, Tote gibt, elektrisiert das von der Bundesregierung bis zur Linkspartei, von der Kirche bis zur NPD jeden; und niemand warnt vor voreiligen Schlüssen, denn alle kennen schon den Schuldigen. Grund genug, ein paar Fragen zu stellen.

Donnerstag, 27. Mai 2010

Zum Flaschenwurf auf die B5 und zum Überfall von B5-Aktivist_innen auf einen israelsolidarischen Antifaschisten

In einer von der »Kommunistischen Assoziation Hamburg« verbreiteten Erklärung wird behauptet, »Antideutsche aus dem 'Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten'« hätten ein Fenster des »Internationalen Zentrums B5« mit einer Flasche eingeschlagen und anschließend Aktivist_innen des Zentrums mit den Rufen »Spastis«, »Hurensöhne« und »Fotze, ich fick dich in den Arsch« beleidigt. Diese Behauptung ist falsch.

Wie wir erfahren haben, wurde in der Nacht auf den 3.5.2010 tatsächlich eine Flasche in ein Fenster der B5 geworfen. Der Flaschenwerfer und sein Begleiter, die auf einer Sauftour durch den Kiez unterwegs waren, sind jedoch weder als Individuen im Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten aktiv, noch gehören sie einer der dort assoziierten Gruppen an. Von dem Flaschenwerfer – und niemandem sonst – stammen auch die dokumentierten sexistischen, homophoben und behindertenfeindlichen Beleidigungen.

Nach dem Wurf flüchteten sich die beiden Männer in die Kneipe »Kleine Pause«, wo sich auch einige Bekannte von ihnen aufhielten – darunter mindestens ein Mitglied einer der im Bündnis tätigen Gruppen. Diese beschützten zunächst einmal ihre Bekannten vor den ebenfalls eingetroffenen B5-Aktivist_innen. Da sie den Hintergrund der Situation nicht kannten, mussten sie von einem weiteren Überfall antiimperialistischer Schläger_innen ausgehen. Zugleich wurde jedoch versucht, eine Eskalation der körperlichen Auseinandersetzung zu verhindern und weitere verbale Ausfälle des Flaschenwerfers zu unterbinden.

Wir sind als Bündnis äußerst verärgert, wenn unsere Kampagne gegen die antisemitische und gewalttätige Praxis der B5 und ihres Umfelds von Leuten zum Anlass genommen wird, den Mobster zu markieren und die sexistische Sau rauszulassen. – Gut möglich, dass sich auch die Flaschenwerfer auf »unserer« Seite der Konfrontation wähnen. Daraus folgt gerade nicht, dass ein solches Verhalten entschuldbar, dumm gelaufen oder doch wenigstens nicht so schlimm wäre. Es weist vielmehr darauf hin, dass in einer entsprechenden Konstellation auch die Zustimmung zu Antisemitismuskritik und Israelsolidarität nicht allein von politischer Einsicht bestimmt sein muss, sondern zum Gegenstand von Identitätsbedürfnissen werden kann. Diese zum Antrieb der Praxis statt zum Gegenstand der Reflexion zu machen, vergisst, dass antideutsche Kritik nicht nur andere, sondern immer auch einen und eine selber betrifft.

Unser Ziel ist es, Antisemitismus zu bekämpfen, auch und gerade in der Linken. Das schließt dessen Hamburger organisatorisches Zentrum, die B5, notwendig mit ein. Flaschenwürfe gehören zu diesem Kampf nicht dazu. Ganz im Gegenteil: Eine Aktion wie die oben dokumentierte ermöglicht es den B5ler_innen, sich kontrafraktisch zum Opfer zu stilisieren (eine Rolle, in der sie sich, wie ihr Wahn vom philosemitischen NeoCon-Komplott in St. Pauli Nord zeigt, pudelwohl fühlen). Und sie gibt Szenemainstream, Bürgerpresse und Verfassungsschutz den ersehnten Beleg an die Hand, es nicht mit einem sachlich begründeten Konflikt zu tun zu haben – sondern mit einer Auseinandersetzung rivalisierender Jugendbanden, die niemanden anderen etwas anginge. Solche Entpolitisierung kommt einzig und alleine der B5 zugute: Seit der Blockade vom 25.10.2009 zielt ihre Darstellung auf nichts anderes, als das Geschehen in eine unüberschaubare Kette von 'Vorfällen', Aggressionen und Machenschaften zu verwandeln, damit der Kern der Sache – der militante Antisemitismus – irgendwo im Nirgendwo verschwinde.

Wir halten es daher für grundsätzlich falsch, mit hochmotivierten Schläger_innen Cowboy und Indianer zu spielen. Derartig verantwortungsloses Handeln gefährdet nicht nur die Gesundheit der Angegriffenen ebenso wie die der eigenen Person, sondern vor allem auch die unbeteiligter Dritter. Zwar brauchen die Politdesperados der B5 keinen Grund zum Zuschlagen. Aber ein Anlass ist doch immer hochwillkommen. Aktionen wie die vom 3.5. werden jene ausbaden müssen, die von den Antisemit_innen als Drahtzieher imaginiert werden – oder einfach die, die sich als leichtes, weil schutzloses Opfer anbieten.

Wie schnell das geht, zeigt der Überfall auf einen israelsolidarischen Antifaschisten in der Nacht auf den 22. Mai 2010. Der im Bündnis aktive Antifaschist, welcher bereits am 31.1.2010 von B5-Aktivist_innen überfallen und zusammengeschlagen wurde, wurde von etwa zehn B5ler_innen, darunter mindestens drei Mitgliedern der »Roten Szene Hamburg« (RSH) und einem der »Sozialistischen Linken« (SOL), am Hamburger Berg umzingelt, geschlagen und getreten. Ein Schlag traf ihn dabei so schwer ins Gesicht, dass seine Brille zertrümmert wurde. Schwerere Verletzungen konnten nur dadurch verhindert werden, dass es dem Angegriffenen gelang, in Richtung Reeperbahn zu entkommen und sich in den Schutz der dort befindlichen Polizisten zu begeben. Auf seiner Flucht wurde er von seinen Verfolgern, zum Glück erfolglos, mit Flaschen beworfen. Die Täter, von denen zwei bereits am Überfall vom 31.1. beteiligt gewesen waren, konnten flüchten, sind aber größtenteils namentlich bekannt. Selbstverständlich wurde auch diesmal Anzeige erstattet. Denn genausowenig, wie wir uns als Teil eines Bandenkrieges sehen, wollen wir derartiger Brutalität tatenlos gegenüberstehen.


Nachtrag: Auf der antiimperialistischen Solidaritätsdemo für die so genannte »Free Gaza«-Flotte, die am 3. Juni 2010 mit ca. hundert Teilnehmer_innen vom Bahnhof Altona zur B5 zog, kam es erneut zu massiven Drohungen. Als der Aufmarsch an einer kleinen Gruppe israelsolidarischer Antifaschist_innen, die sich das Pro-Hamas-Spektakel aus sicherer Entfernung anschauten, vorbeizogen, erkannten einige der Demonstrant_innen in der Gruppe das Opfer der oben beschriebenen Überfälle. Daraufhin gröhlten die ersten Reihen, die von der Roten Szene Hamburg (RSH) und Umfeld gestellt wurden, mehrfach geschlossen und sehr laut »[Name], [Name], aus der Traum – bald liegst du im Kofferraum!« Anschließend folgte »Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat«. Die anwesende Polizei weigerte sich, trotz direkter Aufforderung durch den Bedrohten und dessen Genoss_innen, dagegen vorzugehen oder auch nur eine Anzeige aufzunehmen.

»Am Rande versuchten ein paar sehr verwirrte Personen (Antideutsche) durch ihre Anwesenheit zu provozieren«, hieß es dazu einige Tage später auf Indymedia. Das ist folgerichtig. Denn wo Menschen durch ihre bloße Anwesenheit schon provozieren, bleibt zur Gegenwehr wirklich nichts anderes als die Mordphantasie.

Mittwoch, 14. April 2010

Linker Antisemit droht mit Mord


Einer der Beteiligten an der gewaltsamen Blockade des Claude-Lanzmann-Films »Warum Israel« im letzten Herbst hat einem der damals angegriffenen Kritiker der Aktion auf offener Straße mit Mord gedroht.

Bei dem Täter handelt es sich um Gernot H., ein Mitglied der »Tierrechts-Aktion Nord«, der in der linken Szene als gefährlicher Schläger bekannt ist und häufig gemeinsam mit Aktivisten des »Internationalen Zentrums B5« agiert. Die Polizei hat bereits Ermittlungen wegen Bedrohung aufgenommen.

Gegen H. läuft bereits ein weiteres polizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung, verübt einige Tage nach der Blockade gegen denselben Kinobesucher. In der Nacht zum Ostermontag versperrte H. diesem den Weg und bedrohte ihn mit den Worten: „Wenn ich wegen dir vor Gericht komme, kille ich dich. Das schwör' ich dir! Nimm mich ernst!”

Der Bedrohte ist in der »Hamburger Studienbibliothek« und im »Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten« aktiv.

Mittwoch, 10. Februar 2010

Zu den „Zensur“-Vorwürfen der Gruppe 170

Etwas verwundert haben wir die Vorwürfe zur Kenntnis genommen, die die Gruppe 170 gegen die Veranstalter_innen der Demonstration »Antisemitische Schläger unmöglich machen – auch linke!« in der Zeck Nr. 154 erhebt. Anlässlich der Dokumentation ihres von den Veranstalter_innen abgelehnten Redebeitrags heißt es, „die Zensur unseres Redebeitrags“, der angeblich „wie alle anderen ... dem Vorbereitungskreis vorgelegt“ worden sei, sei eine „Unverschämtheit“ und eine „politisch zerstörerische Maßnahme“, welche sie „an den Motiven der Veranstaltenden zweifeln“ lasse.

Die Gruppe 170 hat weder den Demonstrationsaufruf unterstützt noch sich an den Vorbereitungstreffen beteiligt. Von der Existenz der Gruppe haben wir erfahren, als uns auf dem Bündnistreffen vom 8.12. ihr Interesse ausgerichtet wurde, am 13.12. einen Redebeitrag zu halten, auf dem 'auch die Argumentationsweisen des Aufrufs kritisiert werden würden'. Der Text der Rede wurde den beteiligten Gruppen drei Tage vor der Demonstration per E-mail-Verteiler zugänglich gemacht – zu einem Zeitpunkt also, als an eine inhaltliche Diskussion (wie sie über andere strittige Beiträge durchaus geführt wurde) nicht mehr zu denken war. Stattdessen wurde von mehreren Gruppen, mit zum Teil ausführlichen Begründungen, Veto eingelegt.

Die Interpretation der Vorfälle auf der Barmbeker Anti-Nazi-Demo vom 31.1.2004 war, am Rande vermerkt, dabei nur einer von mehreren strittigen Punkten. Zu den Eigentümlichkeiten der Debatte über linken Antisemitismus gehört es freilich immer wieder, dass vor lauter Aufregung selbst die einfachsten Fakten nicht zur Kenntnis genommen werden – hier beispielsweise, dass im Aufruf des Bündnisses überhaupt nicht von den Prügeleien um die Israel- und USA-Fahnen die Rede ist. Thematisiert wird vielmehr der Angriff auf die kp berlin und ihr Transparent »Deutschland denken heißt Auschwitz denken«, welcher stattgefunden hatte, bevor irgendwelche „Nationalfahnen“ die Gemüter erregt hatten – siehe http://phase2.nadir.org/rechts.php?artikel=196&print.

Genauso eigentümlich allerdings ist, dass selbst eine eingebildete Kritik immer wieder dazu führt, dass die Kritisierten alles daran setzen, Gründe für deren Berechtigung nachzuliefern. Ihren Feldzug gegen antideutsche Geschichtsklitterungen nämlich meint die Gruppe 170 in einem Dankeschön an die antifaschistischen Genossinnen und Genossen gipfeln lassen zu müssen, welche auf der Barmbeker Demo den Übergriff der antideutschen Provokateure abgewehrt haben. Völlig egal aber, was man von antideutschem Hegemoniestreben auf antifaschistischen Bündnisdemonstrationen hält: Wer Leuten dankt, die Israelfahnen unter Intifada- und Mörder, Mörder-Rufen in den Dreck treten, beweist nur, dass selbst ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus nicht vor der Kumpanei mit Antisemit_innen schützt.

Hätte die Gruppe 170 ihren geplanten Beitrag im Vorfeld der Demonstration, womöglich als eigenen Aufruf, veröffentlicht, hätten wir uns zwar immer noch über die darin enthaltenen argumentfreien Allgemeinplätze geärgert – und uns dennoch über die Absage an die autonome Lethargie, wie sie im Verhältnis zum linken Antisemitismus vorherrschend ist, gefreut. Als Redebeitrag aber hätte der Text weder zur Mobilisierung der Szene getaugt noch zur Eröffnung einer Debatte, die über viele Buhrufe und einige Hört, hört! hätte hinausgehen können. Schon deswegen erschien uns rätselhaft, was sich die Gruppe 170 von ihrem Ansinnen versprochen hatte. Ebenso rätselhaft erschien uns, wie eine politisch doch hoffentlich nicht ganz unerfahrene Gruppe auf die Idee verfallen konnte, eine Demonstration sei so etwas wie eine Speakers' Corner, wo, ganz ohne inhaltliche Auseinandersetzung im Vorwege, jede_r das Wort ergreifen kann.

Die empörte Beschwerde der Gruppe 170 darüber, dass die Veranstaltenden das anders gesehen haben, ist nicht nur ein bisschen peinlich; sie sorgt dafür, dass ihre Initiative in genau das Schema linker Äquidistanz wieder eingepasst wird, das sie ursprünglich einmal in Frage stellen sollte.

Wir würden daher vorschlagen, statt über Rederechte, Entscheidungsstrukturen und Diskurshoheiten lieber über das zu streiten, worüber es sich zu streiten lohnt: den Dissens in der Sache. Zu diesem Zweck schlagen wir eine öffentliche Debatte mit Vertreter_innen von uns und der Gruppe 170 vor.

Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten, Februar 2010

Samstag, 6. Februar 2010

Erneuter Überfall von B5-Aktivisten auf Antisemitismusgegner


In der Nacht zum Sonntag, den 31. Januar 2010, überfielen Aktivisten des »Internationalen Zentrums B5« zwei israelsolidarische Antifaschisten. Die beiden Antifaschisten, die unter anderem im »Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten« gegen Antisemitismus aktiv sind, wurden nach dem Verlassen einer Diskothek von drei
Schlägern empfangen. Die Angreifer brüllten antiisraelische Parolen, gingen mit Faustschlägen auf ihre Opfer los und traten, als diese am Boden lagen, weiter auf sie ein. Erst als es den Angegriffenen gelang, die Polizei zu rufen, flohen die Angreifer.

Bereits am Abend hatte eine Gruppe von fünf Personen, darunter die späteren Angreifer, eines der Opfer auf der Straße erkannt, woraufhin sie es bepöbelten und körperlich bedrängten. Dabei wurde der junge Mann, weil er einen Israel-Button trug, als Faschist beschimpft, welcher den Genozid an den Palästinensern propagiere. Einige Stunden später trafen die B5-Anhänger in der Diskothek ein, in welcher sich die beiden Antifaschisten befanden, und setzten die antiisraelischen Pöbeleien fort. Als die Angreifer mehrmals handgreiflich wurden, darunter mit gezielten Schlägen ins Gesicht, wurden sie schließlich der Diskothek verwiesen. Daraufhin lauerten sie ihren Opfern auf deren Nachhauseweg auf. Die beiden Angegriffenen erlitten mehrere Prellungen und Schürfwunden. Gegen die namentlich bekannten Angreifer wurde Anzeige erstattet.

Mitglieder des »Internationalen Zentrums B5« sind in der Vergangenheit immer wieder durch körperliche Angriffe auf antisemitimuskritische Personen und Veranstaltungen aufgefallen. Im Oktober 2009 verhinderten sie mit Gewalt eine Vorführung von Claude Lanzmanns Film »Warum Israel« im Hamburger Programmkino b-movie. Dieser Vorfall, bei dem Kinogäste geschlagen und unter anderem als „Schwuchteln“ und „Judenschweine“ beschimpft wurden, hatte im In- und Ausland für Empörung gesorgt. In Reaktion darauf hatte sich auch das »Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten« gegründet, das am 13.12., anlässlich der Neuansetzung des Lanzmann-Films im b-movie, gegen linken Antisemitismus demonstrierte.

Bereits in den vergangenen Monaten waren Mitglieder des Bündnisses von Aktivisten der B5 mehrfach bedroht und auch körperlich angegriffen worden. Angesichts des jüngsten Überfalls auf Antisemitismusgegner unterstrich das Bündnis seine Forderung, das Internationale Zentrum politisch zu isolieren und die von ihm ausgehende antisemitische Hetze endlich zu unterbinden. Wer den Antisemitismus und die Gewalt der B5 verharmlose, gar mit den dort organisierten Gruppen politisch weiter zusammenarbeite, ermuntere die Schläger zu weiteren Angriffen.

Montag, 1. Februar 2010

Dokumentation: Ein lautschweigender Konsens

Spekulationen dazu, warum es der Linken so schwer fällt, die Gegenwart des Antisemitismus im Bewusstsein zu halten.

Vorbemerkung
Der folgende Text ist entstanden während der Diskussionen um die gewaltsame und von offen antisemitischen Parolen begleitete Verhinderung des Films „Warum Israel“ von Claude Lanzmann. Er wurde geschrieben mit der Absicht, anhand eines aktuellen Falls auf den generellen Charakter der Antisemitismusdebatten in der Linken zu reflektieren. Die zu diesem Zweck analysierten Beispiele sind mehr oder weniger Zufall, ihre Eigenarten hätten auch an anderen Stellungnahmen oder Passagen herausgearbeitet werden können, und die Schlussfolgerungen haben daher den Anspruch, eine allgemeinere Dynamik zu beschreiben. Der Text ist nicht nur mit den Ziel verfasst, einige üblicherweise vernachlässigte Aspekte des Antisemitismus zu diskutieren, sondern er soll auch dazu dazu geeignet sein, die Erfahrungen, die beim Versuch entstehen, Antisemitismus in der Linken zu thematisieren, besser diskutierbar zu machen. Dies sollte auch denjenigen möglich sein, die die Details der Vorfälle in Hamburg nicht kennen.

Die Demonstration des Bündnisses am Tag der Aufführung ist inzwischen gelaufen, und die Diskussionen darum blieben im Rahmen des Unüblichen. Beherrscht wird die Szenerie dabei offenkundig von dem Wunsch, äquidistant zu den „Streithähnen“ bleiben zu können. Schon im Vorfeld deutete sich an, dass es kaum bzw. keine Beteiligung unter den ansonsten üblichen Bedingungen geben würde. Alle außerhalb des Bündnisses handelten so, als sei es die normalste Sache der Welt, dass ein Demoaufruf nur dann unterstützt wird, wenn im Aufruftext jedes Wort der eigenen Position entspricht und wenn außerdem keine Gruppe beteiligt ist, die an anderer Stelle einmal ein falsches hat verlauten lassen. Versuche, Alternativaufrufe zu lancieren oder eigene Blöcke zu bilden, hat es nicht gegeben.

So ist es auch nicht überraschend, dass auch der Versuch, die Blockade zu wiederholen, auf wenig Widerspruch gestoßen ist. Dass am Tag der Demo deren Route mit Graffiti wie „Antideutsche klatschen“ – ein recht eindeutiger Aufruf zur erneuten Anwendung von Gewalt – versehen war, ist, soweit ich es momentan überblicken kann, von niemandem außerhalb des Bündniskreises thematisiert worden. Auch fühlte sich von denjenigen, die aus welchen Gründen auch immer sich an der Demo nicht beteiligen wollten, niemand berufen, wenigstens mit dafür zu sorgen, dass die KinobesucherInnen nicht gefilmt und fotografiert werden können. In zusammenfassenden Worten: Über den Auseinandersetzungen um linken Antisemitismus ist ein Tabu verhängt, dass bei allen Beteiligten in einer „Alles oder nichts“-Haltung zu resultieren scheint. Begreifbar zu machen, warum es sich hierbei weder um Zufall noch um individuell motivierte Entschlussunfähigkeit handelt, sondern um einen Teil des inhaltlichen Problem, das als solches auch theoretisch ernst genommen werden muss, ist die zentrale Absicht dieses Textes.

Link zum ganzen Text

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