Montag, 14. Dezember 2009

500 Menschen demonstrieren gegen Antisemitismus – Spießrutenlauf für Kinogäste unter den Augen der Polizei


Rund 500 Menschen haben heute in Hamburg gegen antisemitische Übergriffe demonstriert. Anlass der Demonstration war die Vorführung des Films »Warum Israel« (1973, Regie: Claude Lanzmann) im Programmkino b-movie. Die erste Aufführung des Films war am 25. Oktober gewaltsam von antiisraelischen Linken verhindert worden, wobei Kinogäste als „Schwuchteln“ und „Judenschweine“ beschimpft wurden.


Die DemonstrantInnen – darunter zahlreiche UnterstützerInnen aus anderen Städten – zogen vom Schanzenviertel zum Paulinenplatz, in Sichtweite des b-movie. Dort hatten sich ca. 40 Personen aus dem Umkreis der BlockiererInnen vom 25.10., vor allem Mitglieder des »Internationalen Zentrums B5«, formiert.

„Der Erfolg der Demonstration war, dass heute, anders als im Oktober, der Film 'Warum Israel' gezeigt werden konnte – trotz des erneuten Aufmarsches der Antisemiten vor dem b-movie“, erklärte Andreas Benl, Sprecher des aufrufenden Bündnisses. Dabei sei deutlich geworden, dass ohne die Unterstützung der DemonstrantInnen eine Wiederholung der antisemitischen Angriffe nicht auszuschließen gewesen wäre. Benl: „Die Polizei hatte im Vorfeld zugesichert, dass der gefahrlose Zugang zum Kino für Gäste gewährleistet werde. Tatsächlich konnten sich die Israelhasser zu einem Spalier direkt vor dem Eingang des Kinos formieren. Wer den Film sehen wollte, wurde nicht nur bepöbelt, sondern auch systematisch fotografiert. Der Gang zum Kino glich für die ZuschauerInnen einem Spießrutenlauf – während die Polizei untätig zusah.“ Erst nach entschiedenen Protesten der Demonstrationsleitung habe sich die Polizei bereit gezeigt, interessierte BesucherInnen als Gruppe sicher zum Kino zu geleiten.

RednerInnen der Demonstration machten deutlich, dass die Durchsetzung des Films nur ein erster Schritt sein könne. Das Ziel müsse vielmehr darin bestehen, antisemitische Hetze und Gewalt, wie sie vom »Internationalen Zentrum B5« ausgeht, in Zukunft zu unterbinden.

Sonntag, 13. Dezember 2009

Darum Israel!


Warum Israel. Der Film trägt im Titel kein Fragezeichen. Er könnte auch „Darum Israel“ heißen, denn er zeigt aus unterschiedlichsten jüdischen Perspektiven Gründe für Israel als souveränen Staat. Das Fragezeichen steht an einer anderen Stelle, bei der Frage, ob es eine Normalität in Israel geben kann und wie sie aussieht. Der Film begibt sich auf eine Suche nach Antworten. Oder besser: Mit filmischen Mitteln sucht Claude Lanzmann nach Antworten.


Geboren 1925 als Sohn assimilierter Juden in Paris, kämpfte Lanzmann in der Résistance gegen die Deutschen. Nach dem Krieg studierte er Philosophie in Tübingen. Bevor er als Weggefährte von Simone de Beauvoir und Jean Paul Sartre die philosophische Zeitschrift »Les Temps Modernes« mit herausgab, lehrte er an der FU Berlin. Ende der 40er Jahre verfasste er Reportagen über Ostdeutschland beziehungsweise die DDR, wofür er heimlich die Grenze überquerte. In einem Interview erzählt Lanzmann: „Zurück in Frankreich habe ich eine Serie von 10 Artikeln geschrieben, die ich an Le Monde sandte, ohne irgendjemanden zu kennen. Drei Tage später haben sie mir geantwortet, dass sie meine Reportage unter dem Titel Deutschland hinter dem eisernen Vorhang publizieren wollten. Das gefiel mir gut und also bin ich nach Israel gefahren mit dem Gedanken, dies zu wiederholen.“ Doch die Reportage wurde nie geschrieben. Zu persönlich und zu intim waren seine Eindrücke auf der ersten Reise nach Israel 1952, als dass sie zu dem objektiven Anspruch an eine Reportage gepasst hätten.

In Israel lernte Lanzmann eine jüdische Kultur und eine jüdische Welt kennen, Bezüge, die er bis dahin nicht kannte. Zwanzig Jahre später unternahm Claude Lanzmann einen neuen Versuch, sich den vielen Fragen zu nähern. Was ist jüdische Identität? Kann es so etwas wie Normalität in einem Land wie Israel geben? Was ist das überhaupt? Hieraus entstand der Film »Warum Israel«, der die unterschiedlichen und auch widersprüchlichen jüdischen Stimmen Israels porträtiert. Zu Wort kommen Ultra-Orthodoxe ebenso wie im Kibbuz lebende Kommunistinnen und Kommunisten, aus Russland und Marokko Eingewanderte, Polizisten und Polizistinnen ebenso wie Gefängnisinsassen, Ashkenasim und Sephardim, also europäische und nicht europäische Juden und Jüdinnen. Sie alle und noch viele mehr formulieren Erwartungen, Ansprüche und Interessen, die sich nicht einfach vereinheitlichen lassen.

Exemplarisch seien hier einige Ausschnitte vorgestellt. Eine Gruppe der schwarzen Panther beklagt die Bevorteilung der russischen Einwanderer und Einwanderinnen. Dieser politische Zusammenschluss sephardischer Juden fordert die Gleichstellung aller jüdischen Staatsbürger_ innen. In einem anderen Interview erzählen Hafenarbeiter, dass sie aufgrund ihrer Streiks oft angefeindet werden. Trotz des Unverständnisses akzeptieren sie, dass es in der israelischen Gesellschaft Arme und Reiche gibt. Denn Israel, die israelische Gesellschaft steht für sie an erster Stelle. Die sozialen Spaltungen, die unterschiedlichen religiösen und politischen Weltanschauungen, Vorstellungen von Israelisch und Jüdisch-sein werden von Lanzmann offen gelegt und nicht geglättet. Die Widersprüche bleiben in diesem Film bestehen. Auch schön dargestellt in der Markt-Szene, in der aus Deutschland stammende Juden und Jüdinnen intensiv über ein französisches Filmteam diskutieren. Auf Deutsch wohlgemerkt. Wenig später sind amerikanische jüdische Touristen zu sehen, die euphorisch die Produktpalette in einem Supermarkt bestaunen und sich freuen, dass es jüdischen Thunfisch in Öl und jüdisches Brot gibt. Eine Szene, die Lanzmann inszeniert hat, um wie er sagt, das Staunen zu zeigen, das jeder Jude und jede Jüdin erfährt, der/die zum ersten mal nach Israel kommt - was einer gewissen Komik nicht entbehrt.

In dem Film spricht keine Stimme kommentierend aus dem Off. Lanzmann arrangiert jedoch die Aussagen der Protagonistinnen und Protagonisten: Zum einen stellt er sie in Themenblöcken zusammen, zum anderen schneidet er mitunter konträre Meinungen gegeneinander. Er selbst ist als Interviewer häufig im Bild. Von den Befragten sind zumeist nur die Gesichter zu sehen, wenn sie ihr Verhältnis zu Israel in Worte fassen. In Nahaufnahmen werden Zugehörigkeiten, Schwierigkeiten und Besonderheiten mitgeteilt. Es werden die unterschiedlichsten Vorstellungen geäußert, wie Normalität in Israel aussehen und ob es überhaupt eine Normalität geben kann. Einig sind sich alle jedoch in einem Punkt: Es muss einen Staat Israel geben.

So verhandelt der Film in den 1970er Jahren Fragen nach jüdischer Normalität in Israel. Fragen, die weder abschließend noch eindeutig beantwortet werden. Persönliche Geschichten reihen sich an historische, religiöse und politische Beweggründe.

Nicht alle, jedoch viele Interviewte nennen die Shoah oder Erfahrungen von Antisemitismus als Grund für die Notwendigkeit des Staates Israel.

Für den Filmemacher Lanzmann ist die Shoah in jedem Fall zentral. So beginnt und endet der Film in der Gedenkstätte Yad Vashem. In diesem Sinne will Lanzmann den Film nicht nur als Antwort auf die Frage nach jüdischer Identität verstanden wissen, sondern auch als politische Antwort auf jegliches Infragestellen des Staates Israel an sich. Das folgende Zitat verdeutlicht seine Position: „Dann war da der 6-Tage-Krieg, den die Israelis gewannen und nachdem ein Großteil der antikolonialistisch en Linken, ein Großteil meiner Kampfgenossen anfing auf Israel herumzuhacken mit dieser hundsgemeinen Pauschalisierung: das sind Sieger, das sind Nazis, mit der daraus folgenden neuen Opferrolle der Araber. Es war unglaublich. Ich habe also diesen Film gemacht, um ihnen zu antworten, ihnen zu sagen, das Israel kein Volk von Mördern, sondern ein Volk von Flüchtlingen ist, ein Volk von alten Frauen. Es gibt also zwei große Erklärungen für diesen Film: Einerseits die Vergangenheit, die unvollendete Reportage, andererseits diese genuin politischen Gründe.“

Darum der Film! Darum Israel! Es gibt kein Fragezeichen hinter dem „Warum“.

(Redebeitrag Demonstration gegen Antisemitismus, 13.12.09)

Fotos Demonstration





Moishe Postone: Hamburg, 2009 – noch ein deutscher Herbst

Ich halte es für politisch wichtig, dass so viele aus der Linken die antisemitischen Ausdrucksformen ernst nehmen, die sich innerhalb jener Gruppen ausgebreitet haben, die sich selbst als antiimperialistisch betrachten. Möglicherweise führt es auch zu einer längst fälligen Klärung theoretischer Fragen. Der Gegenstand besteht nicht in der Frage, ob israelische Politik kritisiert werden darf. Israelische Maßnahmen sollten kritisiert werden, insbesondere wenn sie darauf zielen, jede Möglichkeit eines existenzfähigen palästinensischen Staates in der West Bank und Gaza zu unterminieren. Aber die vorherrschende Kritik am „Zionismus“ aus vielen antiimperialistischen Zirkeln zielt auf etwas jenseits einer Kritik an israelischen politischen Maßnahmen. Israel und den „Zionisten“ wird eine einmalige Bosheit und weltumspannende verschwörerische Macht zugeschrieben. Israel wird nicht kritisiert wie andere Staaten auch, sondern als Verkörperung von etwas wesentlich Bösem. Kurz gesagt: Das Bild dieser Antiimperialisten von Israel und den Zionisten ist in Wirklichkeit das gleiche wie das von den Juden in jenem virulenten Antisemitismus, der seinen reinsten Ausdruck im Nationalsozialismus fand. Die „Lösung“ ist in beiden Fällen die gleiche: Vernichtung im Namen von Befreiung.

Die konventionellen stalinistischen und sozialdemokratischen Darstellungen von Nazismus und Faschismus als Werkzeugen der Kapitalisten, benutzt um die Organisationen der Arbeiterklasse zu zerschlagen, unterschlugen schon immer eine ihrer zentralen Dimensionen: Diese Bewegungen, sowohl ihrem Selbstverständnis nach wie in ihrer Anziehungskraft für die Massen, waren Revolten. Nationalsozialismus stellte sich als Kampf für Befreiung dar (und unterstützte „antiimperialistische“ Bewegungen in der arabischen Welt und Indien). Die Voraussetzung für dieses Selbstverständnis war ein fetischistisches Verständnis von Kapitalismus: Die abstrakte, unangreifbare, weltweite Herrschaft des Kapitals wurde als die abstrakte, unangreifbare, weltweite Herrschaft der Juden verstanden. Weit entfernt davon, einfach ein Angriff auf eine Minderheit zu sein, verstand sich der nationalsozialistische Antisemitismus als antihegemonial. Sein Ziel war die Befreiung der Menschheit von der rücksichtslosen, allgegenwärtigen Herrschaft der Juden. Es ist eben dieser antihegemoniale Charakter des Antisemitismus, der ein so besonderes Problem für die Linke darstellt. Deshalb konnte vor einem Jahrhundert vom Antisemitismus als dem „Sozialismus der dummen Kerls“ geredet werden - heute trifft eher der „Antiimperialismus der dummen Kerls“.

Diese antisemitische Variante von Antizionismus ist unglücklicherweise nicht neu. Es war zentral für die stalinistischen Schauprozesse der frühen fünfziger Jahre, insbesondere in der Tschechoslowakei, dass internationalistische Kommunisten, viele von ihnen Juden, als „zionistische Agenten“ angeklagt und erschossen wurden. Diese chiffrierte Form von Antisemitismus, die ursprünglich nichts mit den Kämpfen im mittleren Osten zu tun hatte, wurde durch die Sowjetunion und ihre Alliierten während des kalten Krieges dort angesiedelt – insbesondere durch die Zusammenarbeit des Geheimdienstes der DDR mit nah- und mittelöstlichen Verbündeten, man denke nur an die RAF und die diversen „radikalen“ Palästinensergruppen.

Dieser „linke“ Antizionismus hat sich mit arabischem Nationalismus und radikalem Islamismus verbunden – von denen keiner progressiver ist als irgendein anderer radikaler Nationalismus, wie zum Beispiel albanischer oder kroatischer – und rechtfertigt seinen Vernichtungswunsch gegen die Juden in Israel als einen gegenüber „europäischen“ Kolonisatoren. Wann immer die eliminatorischen Impulse gegen Juden in Israel am stärksten wirken, wird die Legitimität Israels am heftigsten in Frage gestellt – mit Argumenten, die von der Behauptung, die meisten europäischen Juden stammten gar nicht „biologisch“ aus dem mittleren Osten (eine These, die schon 1947 das Arab High Committee aufstellte und gerade von Shlomo Sand „wiederentdeckt“ wird) bis zu Vergleichen mit den pied noir reichen: Als typische europäische Kolonisatoren müsse man sie nach Hause schicken. Es ist unglücklich, wenn auch nicht überraschend, dass radikale Nationalisten im mittleren Osten die Sache so sehen. Es wird allerdings pervers, wenn Europäer – insbesondere Deutsche – gerade Juden, die seit einem Jahrtausend von Europäern am stärksten verfolgte Bevölkerungsgruppe, mit eben diesen Europäern gleichsetzen. Indem sie die Juden mit ihrer eigenen mörderischen Vergangenheit identifizieren, versuchen sie der Verantwortung für die Last dieses Erbes zu entgehen. Das Resultat ist ein Umgang mit der Vergangenheit, der vorgibt sie zu bekämpfen, während er sie tatsächlich erhält und fortschreibt.

Diese Form von Anti-Zionismus ist Teil einer Kampagne zur Vernichtung Israels, die seit dem Beginn der zweiten Intifada an Macht gewinnt. Die Fokussierung auf die Schwäche der Palästinenser verhüllt nur das eigentliche Ziel. Diese Form von Antizionismus ist Teil des Problems und nicht der Lösung. Weit entfernt davon, progressiv zu sein, verbündet er sich mit radikalen arabischen Nationalisten und Islamisten, also der radikalen Rechten im mittleren Osten, und stärkt damit auch noch die israelische Rechte. Er ist wesentlich für einen Krieg, der immer mehr einem Nullsummenspiel gleicht und unterminiert damit jede Möglichkeit einer gangbaren politischen Lösung – das Rezept für einen endlosen Krieg. Der Hass, der sich in diesem Antizionismus ausdrückt, sprengt den Rahmen von Politik, weil er ebenso grenzenlos ist wie sein imaginiertes Objekt – eine Grenzenlosigkeit, die auf den Wunschtraum von Vernichtung verweist. Die Deutschen, und mit ihnen genug andere Europäer, kennen diesen Vernichtungstraum nur allzu gut. Es ist Zeit, daraus endlich aufzuwachen.


(Grußwort an die Hamburger Demonstration gegen Antisemitismus, 13.12.09)

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Psychopathologie des Antizionismus


Kein Antisemit, dem es nicht im Blute läge, nachzuahmen, was ihm Jude heißt, schreiben Horkheimer und Adorno in der »Dialektik der Aufklärung«. Das gilt auch für die AntizionistInnen. Sie jiddeln nicht, aber sie spielen für ihr Leben gerne israelischer Checkpoint. So auch vor dem b-movie, um dem Publikum die Realität Israels vor Augen zu führen. Wie aber sieht sie aus, die Realität Israels according to B5? Als die Verantwortlichen des B-Movies für diesen Tag erschienen, wurden sie selbstverständlich am Checkpoint aufgehalten und an der Überquerung gehindert, so wie es an einem Checkpoint in Palästina üblich ist.

Ach, es ist wie stets, wenn diese Leute sich ausdrücken wollen: Sie stolpern über ihre eigenen Bilder. Aufgehalten werden an israelischen Checkpoints üblicherweise ja nicht Off-Kino-Verantwortliche, sondern PalästinenserInnen - im Weltbild des Antizionismus heißt das: ohnmächtige, unschuldige Opfer. Wer aber darf im Laienspiel der B5 deren Rolle übernehmen? Niemand anderes als die Kinogäste selber - jene Kinogäste, die, der B5 zufolge, doch sämtlichst Antideutsche, Zionisten, Kriegstreiber sind, ganz gefährliche Burschen also; Burschen, die es sich selber zuzuschreiben haben, wenn man sie aufhält, piesackt, quält. Mit einem Wort: Burschen, die jeden Checkpoint, jede Repression rechtfertigen.

Aus dem Furchtbaren, was sich an israelischen Checkpoints in der Tat ereignen kann - und was vor allem aus der Praxis palästinensischer Terrorgruppen resultiert, Kinder, schwangere Frauen oder Krankenwagen für den Bombenschmuggel zu verheizen -, macht die B5 ein billiges Spektakel, das vor allem eins verrät: wie wenig sich die AntizionistInnen für die Schicksale derer interessieren, mit denen sie sich vorgeblich solidarisieren. Es verrät aber auch, woher ihre Fixierung auf Israel in Wirklichkeit stammt. Wer wissen will, welche Art Herrschaft der Antisemit erstrebt, muss bekanntlich nur in die »Protokolle der Weisen von Zion« schauen; wer wissen will, wonach es den Antizionisten gelüstet, braucht nur ihr Straßentheater in Augenschein zu nehmen. In ihren Projektionen plaudern sie ganz unbefangen ihre ureigenen Ziele aus: endlich einmal selber, mit dem Gewehr in der Hand, 'Du kommst hier nicht rein' brüllen dürfen.

Die Sehnsucht nach Willkür korrespondiert mit der Willkür der antizionistischen Feinderklärung. Dass der Hass auf Israel eine ganz natürliche Reaktion sei, spontane Empörung übers Unrecht, gehört zum Standardarsenal des antisemitischen common sense. In Wirklichkeit dürfte schon ein ägyptischer Fellache, eine iranische Studentin, selbst ein palästinensischer Tagelöhner ja dringlichere Probleme kennen als ausgerechnet die Existenz eines jüdischen Staates. Ist der Hass auf Israel im Nahen Osten, wo er die Massen mit ihren Unterdrückern zusammenschweißt, eine epochale Katastrophe, so ist er unter den Landsleuten eine verbissen aufrechterhaltene Schmierenkomödie - eine Schmierenkomödie, zu der die Errichtung von Checkpoints vor Off-Kinos passt wie die Faust aufs Auge der ZuschauerInnen.

Wer es nämlich hierzulande vorzieht, statt unter der Bundesregierung, den Eltern, dem Sachbearbeiter im Sozialamt oder, warum auch nicht, Dieter Bohlen lieber unter der Politik des Staates Israel zu leiden; wem in Deutschland nicht etwa Merkel, Lafontaine oder die Vertriebenen, wohl aber Netanjahu, Lieberman und die Siedler schlaflose Nächte bereiten - der offenbart nicht etwa sein großes Herz für die Unterdrückten und Entrechteten, sondern eine gehörige Störung der Realitätswahrnehmung. Denn wer nichts Grauslicheres und Verwerflicheres in der Welt kennen will als just den Zionismus, darf in der Tat die Welt um ihn herum nicht kennen. Die antizionistische Feinderklärung, so spontan sie auch einrastet, ist nichts anderes als organisierte Erfahrungsresistenz.

Sich von den Verbrechen des Zionismus betroffen zu fühlen, ist daher ein Entschluss, der ein gehöriges Ausmaß an emotionaler Energie erfordert. Wer ihn trifft, muss, um sich seinen Furor zu bewahren, beständig die Distanz zum Objekt des Hasses verleugnen - und stattdessen Israel so dicht an sich heranrücken, dass er den 'Zionisten' schließlich in seinem Hinterhof entgegentreten kann. Was der Antizionist, mit anderen Worten, beständig tun muss, ist sein leerer und nichtiges Ich so aufzuplustern und aufzublasen, bis es von Hamburg direkt nach Haifa reicht.

Nirgends deutlicher wird die Maßlosigkeit dieser Aufgeblasenheit, der Verlust aller Proportionen in dem wohl schmierigsten Satz, den die B5 verfassen konnte. Wir würdigen, heißt es in ihrem Rechtfertigungsschrieb, die Leistung von Claude Lanzmann im Kampf gegen den deutschen Faschismus. Aber am Beispiel von Otto Schily wird jeder erkennen, dass nicht vergangenes sondern aktuelles Handeln für die Frage, wo ein Mensch steht, ausschlaggebend ist. Die Unverschämtheit beginnt nicht erst mit dem zweiten Satz, in welchem deutsche Linke einem französischen Juden Kopfnoten in revolutionärem Betragen geben. Es ist bereits - oder vielmehr: vor allem - die gönnerhafte Geste, mit der sie einem jüdischen Partisanen das B5-Verdienstkreuz anheften, weil er in der Résistance ähnlich tapfer gegen den deutschen Faschismus gekämpft habe wie Otto Schily in Stammheim. Manche halten sich in ihrem Wahn bloß für Napoleon; manche aber für was besseres, und ob sich die B5 über Lanzmann erhebt, um ihn als Neocon zu entlarven oder um ihm kumpelhaft von oben auf die Schulter zu klopfen, spielt dabei kaum eine Rolle.

Dem Aufblasen dient auch die irrwitzige Präambel, welche die B5 ihrem Pamphlet voranstellt und die den Titel 'Die weltrevolutionäre Lage und wir' tragen könnte. Darin geht es zu, dass es nur so seine Bewandtnis hat. Wir, mit diesen goldenen Worten hebt es an, wir als bewusste Linke wissen. Und wovon wissen die bewussten Linken? Vom System der weißen Dominanz, das auch aus dem Holocaust wieder dominant hervorging; von Widersprüchen, die sich zuspitzen und dann, wie zwei angespitzte Bleistifte, schärfer aufeinander treffen. Jedenfalls wenn sie gut zielen.

Eben das ist der Preis, den die Sehnsucht nach grenzenloser Willkür zu zahlen hat: eine Sprache, welche die Fallhöhe zwischen weltrevolutionärem Feldherrenhügel und Hinterhofkeilerei beständig überschreien muss und dabei, um das schöne Bild der B5 zu zitieren, vom Wanken ins Kippen gerät.

Weil die Willkür keine Rechtfertigung kennt und keine kennen darf, zerfällt ihr dabei jeder Begriff von zielgerichtetem Handeln. Der Antizionismus à la B5 steht längst nicht in keinem übergreifenden Begründungszusammenhang mehr von Fortschritt und Reaktion, von Imperialismus und Antiimperialismus. Er steht bloß noch für sich selber. Von den politischen Koordinaten, in welchen er sich einstmals, wie schief und krumm auch immer, verortete, sind bloße Worthülsen übrig geblieben, die, beziehungslos nebeneinander gestellt, partout keinen zusammenhängenden Sinn mehr bilden. Faselt die B5 von imperialistischen Kriegen, Besatzung und Vertreibung, welche von den Antideutschen gebilligt würden, kann niemand so genau mehr wissen, was eigentlich gemeint ist: der israelische Gründungskrieg oder doch eher die Potsdamer Konferenz. Und wenn die B5 schreibt, es wolle der Zionismus, die Aufrechterhaltung der Dominierung [...] festigen, dann wohl vor allem in der verzweifelten Hoffnung, es könne das überschnappende Tremolo doch noch retten, was nicht mehr zu retten ist.

Was bleibt, ist keine bestimmbare Praxis - sondern Identität. Nicht zufällig ist statt von Herrschaft viel von Kultur die Rede: von der »Kolonialkultur , dem künstlichen Charakter, dem kulturellen Export eines Wertesystems . Ging es früher um Mehrwert, so heute der B5 um echte Werte; hat man früher den Metropolen vorgeworfen, den Trikont ökonomisch zu berauben, so heute, den Trikont kulturell zu beliefern. Nicht um Unterdrückung geht es daher der B5, sondern um Doppelmoral; nicht um Befreiung, sondern um offene, intensive und kontinuierliche Arbeit.

Sage niemand, sie meinten doch das richtige, sie könnten es nur nicht recht ausdrücken. Der Nullschwurbel drückt genau das aus, was in ihnen steckt: deutsche Innerlichkeit. Er passt zu Leuten, die alles zugleich sein wollen: edle Ritter und arme Tröpfe; die sich nicht entscheiden können, ob sie kraftprotzend von Auseinandersetzungen schwadronieren sollen, vor denen sie nicht weglaufen konnten und wollten, oder doch lieber darüber jammern, dass Personen von Antideutschen gleich als Antisemiten beschimpft werden, wenn Kritik an Israel formuliert wird“. Selbst wenn es nur ein ganz kleines, klitzekleines Kritikchen ist!

Zu sich selber kommt der Jargon der verfolgenden Unschuld in der Einladung der SoL zu ihrer »Warum Israel«-Aufführung. Eine Einladung soll sie sein an alle, die Interesse haben, eine ehrliche und ergebnisoffene Diskussion mit uns zu führen; an alle Menschen guten Willens also, die bereit sind, den Parteienhader einmal ruhen zu lassen. Und schöner als das, was dann kommt, hätte es auch Martin Walser nicht sagen können. Wir halten es, schreibt die SoL, für wichtig, dass dieser Film in einem Rahmen gezeigt wird, in dem ein demokratisches und einschüchterungsfrei es Diskussionsklima herrscht - ein Klima also, in dem niemand mehr die erhobene Auschwitzkeule fürchten muss, weil tapfere Demokraten ja dafür sorgen, dass die zionistischen Meinungssoldaten draußen bleiben. Wenn's sein muss, eben auch mit Mundschutz und Kampfhandschuhen.

Wenn sie auch keine politische Strategie mehr kennen, dann doch, und umso effektiver, die Witterung für Stärke und Schwäche. Genau das sorgt dafür, dass vom linken Antizionismus das übrig bleibt, was Erfolg verspricht: das Geraune von Spießern, die doch nur, ganz offen und ehrlich, die nahöstliche Judenfrage klären wollen; das überparteiliche, ausgewogene, d. h. volksgemeinschaftskompatible Ressentiment; der Antisemitismus der edlen Seelen.

Mag es sich bei der B5 auch um Loser handeln, deren Sieg im Volkskrieg nur noch darin besteht, ihr Klo vor der Benutzung durch Zionisten beschützt zu haben: Das heißt noch lange nicht, dass sie nicht in der Lage wären, ihren soliden Beitrag zur deutschen Ideologieproduktion zu leisten. Erbärmlichkeit und Gefährlichkeit sind kein Widerspruch. Hinter jeder Zero, wusste schon Theodor Lessing, steckt ein Nero.

(Redebeitrag Demonstration gegen Antisemitismus, 13.12.09)

Antisemitismus in der Linken, linker Antisemitismus und die Einzelfälle

Um mit den einfachen Feststellungen zu beginnen: Es gibt unter denjenigen, die sich selbst als Teil der Linken bezeichnen, AntisemitInnen. Beteuerungen, Linke könnten nicht antisemitisch sein, weil sie ja links und damit irgendwie für das Gute, Wahre und Schöne einstünden, sind leicht als Abwehr jeglicher Kritik zu verstehen.

Auch handelt es sich dabei nicht um Einzelfälle. Sicherlich hat die historische Linke sich nicht an den organisierten antisemitischen Vereinigungen des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. beteiligt und Distanz hierzu gesucht. Die relevanten Strömungen der Arbeiterbewegung wussten immer um deren reaktionär-konservativen Charakter. Aber wer nur diejenigen Strömungen als die historische Linke bezeichnen möchte, die nicht trotzdem Überschneidungen mit dem antisemitischen Weltbild hatten, würde zu dem unsinnigen Ergebnis kommen, dass es eine gesellschaftliche Linke nie gegeben hat.

Folge dieser Überschneidungen war, dass der nationalsozialistische Antisemitismus in der antifaschistischen Agitation vor und während des 2. Weltkriegs nicht thematisiert werden konnte. Daran änderte sich auch nach dem Sieg über Deutschland nichts, die Linke beteiligte sich an der Verdrängung der Shoah.

Die Betonung der Gemeinsamkeiten, die die verschiedenen Varianten des Antisemitismus aufweisen, legt es nahe, von Antisemitismus in der Linken zu sprechen. AntisemitInnen gibt es in jeder politischen Partei und jeder gesellschaftlichen Bewegung, aber insgesamt erscheint er als eine individuelle Pathologie mit gesellschaftlichem Inhalt, aber ohne spezifisch gesellschaftliche Motivation. Wer antisemitisch argumentiert, kann nicht im Namen eines besonderen gesellschaftlichen Interesses auftreten oder von einer bestimmten politischen Position aus sprechen, wenn diejenigen, gegen die sich das eigene Interesse richtet, ähnliche antisemitische Phantasien haben können. Linke AntisemitInnen gäbe es dann mit der gleichen statistischen Wahrscheinlichkeit wie Linke mit Heuschnupfen, oder, um bei Beispielen im Bereich des subjektiv-psychologischen zu bleiben, wie Linke mit klinischer Depression.

Eine solche Diagnose freilich ist apolitisch, ignoriert den gesellschaftlichen Inhalt des antisemitischen Denkens und liefert mehr neue Fragen als Antworten. Ist es nicht die Aufgabe linker Gesellschaftskritik, gerade diejenigen Denkformen aufzudecken, in denen der unhaltbare Zustand der gesamten Gesellschaftsform verschleiert wird? Ist also linker Antisemitismus nur ein Symptom mangelnder revolutionärer Gesinnung? Also ein Resultat der fehlenden Bereitschaft, auch die gesellschaftlichen Grundformen abzuschaffen? Kann es also doch keinen linken Antisemitismus geben, wenn wir nur richtig begreifen, was linke Gesellschaftskritik ist?

Die Antwort hierauf muss leider „Nein“ lauten. Denn es ist schlichtweg nicht so, dass die AntisemitInnen vermehrt bei den sogenannten Reformern anzutreffen gewesen wären. Auch hier gilt wieder: Entweder gab es niemals linke Revolutionäre, oder die Diagnose ist falsch.

Oberflächlich kann als Grund hierfür gelten, dass der Antisemitismus einen destruktiven, konformistisch-revoltierenden Charakter hat, der auch im Widerspruch zu pragmatisch reformistischen Bestrebungen steht. In Deutschland spielt ein solcher Pragmatismus kaum eine Rolle, in anderen Ländern aber schon. Plakativ gesagt: Wer etwa das Geld gar nicht abschaffen will, und es als rationales Mittel und nicht als unheimliche Macht wahrnimmt, wird sich auch mit der Identifikation von Geld und Judentum nicht anfreunden können. Wer den Nationalstaat für ein geeignetes Instrument sozialistisch-demokratischen Miteinanders hält, dem oder der werden eher die Nicht-Anerkennung eines jüdischen Staates auffallen, die aus der gängigen „Israelkritik“ spricht. Bekanntlich stimmt auch das nicht, der Antizionismus ist häufig ein Mittel, um durch die Denunziation des einen Staates die herrschaftsförmige Konstitution jedes anderen zu verdrängen. Aber andernorts gibt es wenigstens solche Strömungen.

Die These vom Antisemitismus, der sich lediglich auch in der Linken findet, ist also nicht zu halten. Es dürfte sich vielmehr so verhalten, dass gerade der unreflektierte, sich selbst absolut setzende Wille zu gesellschaftlicher Veränderung, der sich unabhängig bestimmter gesellschaftlicher Voraussetzungen für revolutionär hält, dazu tendiert, antisemitische Stereotype zu bilden. Selbst die Frage, ob dieser Wille die Aneignung der Staatsmacht zum Inhalt hat, oder sich staatsfeindlich gibt, ist kein geeignetes Differenzierungskriterium. Bereits die Unterschiede etwa zwischen der B5 und der TAN, die sich vermutlich außer im Antisemitismus und ihrer anti-antideutschen Paranoia in nichts einig sind, belegt dies.

Es geht also um linken Antisemitismus. Gerade aus gesellschaftskritischer Perspektive werden wir eingestehen müssen, dass es eine Geschichte spezifisch linker antisemitischer bzw. heute antizionistischer Ressentiments gibt, die bei aller Gemeinsamkeit zum Antisemitismus anderer politischer Strömungen auch in Differenz steht. Dafür spricht etwa, dass die meisten Varianten der heute im Internetforum jeder Tageszeitung findbaren antizionistischen Täter-Opfer-Umkehr aus der linken Palästinasolidarität der 70er und 80er Jahre stammen. Er ist von ihr nicht übernommen, sondern erstmalig in die Welt gebracht worden. Die Täter-Opfer-Umkehr gab es zu jener Zeit auch im Rest der postfaschistischen Gesellschaft, nur wurde hier mit anderen Bildern und Stereotypen gearbeitet. Israel so als faschistischen Staat bezeichnen, wie es damals üblich war und in der B5 noch heute ist, konnte und kann nur, wer auch die orthodox-marxistischen Faschismustheorien teilt. Für FaschistInnen ist „faschistisch“ oder „rassistisch“ bekanntlich keine Kritik, weswegen sie auch nicht auf die Idee kommen können, Israel als faschistisch zu denunzieren.

Wie auch immer dieser Weg zum linken Antisemitismus aussieht, welchen Mechanismen er folgt, in welchen gesellschaftlichen Prozessen er entsteht und wie er sich bei den einzelnen als stereotype Welterklärung durchsetzt: Aufgefordert werden muss nicht dazu, sich mit Antisemitismus in der Linken auseinanderzusetzen, sondern mit linkem Antisemitismus. Unsere eigenen Vorstellungen von Emanzipation und gesellschaftlicher Veränderung und subjektiver Macht- und Ohnmacht stehen zur Debatte, wenn wir über linken Antisemitismus reden. Die linken AntisemitInnen und AntizionistInnen ahnen dies, wenn sie sich darüber beklagen, dass eine Kritik des Antisemitismus einem Verbot jeglicher Kapitalismuskritik gleichkäme. Nur spricht dies eben nicht gegen die Kritik des Antisemitismus, sondern gegen die Gesellschaftskritik, die den AntisemitInnen vorschwebt.

Daher ist es nicht nur empirisch falsch, diejenigen, gegen die sich diese Demonstration richtet, als „Linksnazis“ zu beschreiben, die zu behandeln seien wie alle anderen Nazis auch. Um dies zu belegen, muss nicht auf ihre sonstige Tätigkeit verwiesen werden, etwa auf ihre Flüchtlingspolitik oder darauf, dass sie etwas betreiben, was sie Antirassismus nennen. Verwiesen werden muss nur auf die Herkunft der Phantasien, die sie zum Stereotyp zusammenbrauen. Es ist auch gerade keine Ehrenrettung der Linken, hierauf zu beharren. Umgekehrt ist es ein Eingeständnis, dass die abzuschaffenden gesellschaftlichen Verhältnisse eben nicht so beschaffen sind, dass ein wenig guter Wille und ein reines Herz oder ein proletarischer Staat geeignet sind, sie abzuschaffen.

Wer dann, wenn linke AntisemitInnen zeigen, zu was sie fähig sind, nur noch von Nazis reden kann, will es sich entweder nach altbekanntem Muster einfach machen, und den Antisemitismus doch wieder aus der eigenen Geschichte tilgen. Dies ist ein Mittel zur unangemessenen Ehrenrettung der Geschichte der Linken. Weil wir aber keine andere haben und vor der Revolution auch nicht haben können, dürfen wir diese nicht reinwaschen, damit wir uns unschuldig identifizieren können, sondern müssen sie gegen unser Bedürfnis zur Identifikation bearbeiten. Alternativ kann die Rede von den linken Nazis auch ein Mittel sein, um vergessen zu machen, dass die gesellschaftlich organisierte Macht, namentlich der Staat, historisch nicht nur Garant des Kapitals, sondern auch das Mittel der Entfesselung der Barbarei sein konnte. So grüßt nur die Totalitarismustheorie und nicht die Kritik, und die Linke, die sich von ihrem eigenen Antisemitismus nicht lösen kann, erscheint als Ansammlung verlotterter Einzelfälle. Auch dem ist zu widersprechen.

(Redebeitrag Demonstration gegen Antisemitismus, 13.12.09)

Antiimperialismus und Antisemitismus


Am 25.10. wurde die von der Gruppe Kritikmaximierung geplante Aufführung
des Claude-Lanzmann-Films »Warum Israel« von antisemitischen SchlägerInnen aus dem Umfeld des internationalen Zentrums B5 verhindert. Angesichts dessen und vor allem auch auf Grund des Umstandes, dass es offensichtlich nach wie vor ausreicht, zu behaupten, man sei links, um von der Linken als solches anerkannt zu werden, halten wir einige Anmerkungen für notwendig. Wir möchten in diesem Zusammenhang eine grundlegende Kritik des antiimperialistischen Weltbildes formulieren. Das antiimperialistische Weltbild ist sowohl strukturell als auch inhaltlich antisemitisch. Eine Schlüsselfunktion nimmt in diesem Zusammenhang die Ideologie des Antizionismus ein.

Das antiimperialistische Weltbild vertritt eine vereinfachende Perspektive auf Herrschaft als personifizierbare Fremdherrschaft. Es rationalisiert die durch das Kapitalverhältnis hervorgebrachten Ausbeutungs- und Zurichtungsprozeduren als fremde Machenschaften, gegen die das Kollektiv der Unterdrückten aufzubegehren habe. Es ist deshalb strukturell antisemitisch. Das Weltgeschehen wird auf der Grundlage eines Gut-Böse-Schemas interpretiert. Das binäre Denken des antiimperialistisch en Weltbildes ist verknüpft mit dem Verlust jeglichen Realitätsbezugs sowie der Resistenz gegen jede Form von Erkenntnis und Erfahrung. Für die Befriedigung von Identifikationsbedürfnissen und projektiven Affekten wird dem schlechten Nationalismus der gute Nationalismus gegenübergestellt und parallel die reaktionärste aller politischen Kategorien mobilisiert, die des Volkes.

In der Übertragung des antiimperialistischen Weltbildes auf den Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Befreiungsbewegung wird der strukturelle Antisemitismus zu einem inhaltlichen. Der Antizionismus fungiert in diesem Zusammenhang als eine Konstruktion, die es deutschen Linken ermöglicht, guten Gewissens antisemitisch zu sein, ohne es zugeben zu müssen. In der antizionistischen Perspektive kämpft das gute palästinensische Volk, das als eine natürlich gewachsene Gemeinschaft gilt, gegen das „künstliche Zionistengebilde“. Jüdinnen und Juden werden nicht als „natürliches Volk“ gesehen und haben deshalb auch keinen Anspruch auf einen eigenen Staat. Jüdinnen und Juden sind im völkischen Denken, welches für die antiimperialistische Ideologie konstitutiv ist, das „Antivolk“. Der Antizionismus wird damit zur globalisierten, geopolitischen Reproduktion des Antisemitismus. Israel ist „der Jude“ unter den Staaten. Antizionismus ist eine spezifische Form des Antisemitismus nach Auschwitz. Der antisemitische Hass richtet sich in Ermangelung konkreter Objekte auf ein Ersatzobjekt - auf den kollektiven Juden in Form des israelischen Staates.

Auf welcher Seite Unterdrücker und Unterdrückte im Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Befreiungsbewegung jeweils zu verorten sind, ist im antiimperialistischen Weltbild schnell ausgemacht. Vor dem Sechs-Tage-Krieg gehörte ein positiver Bezug auf Israel in der deutschen Linken zum guten Ton. Dieser positive Bezug war nicht zuletzt durch das Bedürfnis motiviert, die deutsche Vergangenheit zu entsorgen und sich einmal mehr darüber zu
vergewissern, auf der Seite der Guten zu stehen. Nachdem Israel im Sechs-Tage-Krieg seine militärische Schlagkraft unter Beweis stellen musste und sich daraufhin die Sympathiebekundungen für Israel nicht mehr in das David-gegen-Goliath-Modell, das Linke so gerne mögen, einfügen ließ, mutierte der jüdische Staat in der Wahrnehmung der deutschen Linken zum Aggressor par exellence im Nahen Osten. Diese Deutung wurde und wird legitimiert durch den ebenso penetranten wie geschichtsblinden und zynischen Versuch, den Juden den Faschismus anzudichten sowie die Diffamierung des Zionismus als rassistisches Projekt. Die Täter-Opfer-Dichotomie des Antizionismus in der deutschen Linken geriert sich als Revolte, der spätestens seit der 2. Intifada auch die Kollaboration mit Djihadismus und Klerikalfaschismus opportun und legitim erscheint.

Wir wissen, dass sich die deutsche Linke in weiten Teilen mittlerweile von den Positionen des Antiimperialismus der alten Schule distanziert. Die Anerkennung des Existenzrechts Israel ist weitestgehend konsensfähig. In den meisten Fällen bleibt sie jedoch nichts als ein Lippenbekenntnis, weil nichts daraus folgen darf, was die linke Befindlichkeit nicht verkraftet. Antizionistisch ist für uns aber auch all das, was anfängt mit einem „ich habe ja nichts gegen Israel“ und mit einem dicken „aber“ endet. Wir kritisieren die hartnäckige Weigerung der deutschen Linken, den Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Antizionismus zu reflektieren. Es geht nicht darum zu behaupten, dass Israel grundsätzlich nicht kritisiert werden dürfte. Unklar ist uns aber zweierlei. 1. Wieso ist die deutsche Linke nicht in der Lage wahrzunehmen, dass Israel permanent und von allen Seiten sowieso kritisiert und mit Ansprüchen und Forderungen konfrontiert wird, die keinem anderen Land der Welt zugemutet werden? Und 2. Woher kommt das Bedürfnis sich ausgerechnet in Bezug auf Israel als die Instanz moralischer Integrität und Überlegenheit aufzuspielen? Die Kritik, die die deutsche Linke an Israel formuliert, gründet auf ihren Ressentiments. Solange die deutsche Linke wiederkehrend behauptet, Zionismus sei Faschismus, so geschehen z. B. in Form von Schmierereien in der roten Flora, kann es nicht darum gehen Kritisierbarkeit einzufordern, sondern es muss darum gehen, sich israelsolidarisch zu positionieren.

Der Zionismus ist nicht die richtige Antwort auf den Antisemitismus. Die richtige Antwort auf den Antisemitismus wäre die Beseitigung seiner Ursachen, d. h. die Abschaffung aller Verhältnisse, in denen der Mensch ein erniedrigtes und geknechtetes, ein verlassenes und verächtliches Wesen ist zu Gunsten der Assoziation freier Individuen in einer staaten- und klassenlosen Weltgesellschaft. In einer Welt aber, die die Vernichtungsdrohung gegen Jüdinnen und Juden nie zurückgenommen hat, in einer Welt, in der niemand Jüdinnen und Juden beschützen wollte (und schon gar nicht die deutsche Linke), ist der Zionismus die einzig mögliche auf den Antisemitismus. Der Zionismus ist realpolitisch die einzige Möglichkeit, dem kategorischen Imperativ nach Auschwitz, alle Verhältnisse so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nicht ähnliches geschehe, gerecht zu werden. Der Zionismus steht für den Versuch einer jüdischen Selbstermächtigung. Diese Form der Selbstermächtigung beinhaltet faktisch immer auch die Notwendigkeit der Selbstverteidigung. Dass die antisemitische Vernichtungsfantasie, die auch für den Antizionismus konstitutiv ist, bisher nicht verwirklicht werden konnte, ist der israelischen Staatsgewalt zu verdanken. Antifaschismus muss für die Solidarität mit Israel alle notwendigen Mittel anerkennen. Antifaschismus ist
deshalb prozionistisch.

Mit Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen, dass die Unterstützung, die die klassisch autonome Szene Hamburgs dem Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten entgegenbringt, eher zurückhaltend ist. Auf Grund unterschiedlichster Abgrenzungsbedürfnisse, über deren Genese wir in der Regel nur spekulieren können, sah man sich in diesen Kreisen nicht in der Lage, sich dem Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten anzuschließen. Uns bleibt nichts anderes übrig als dieses hinzunehmen. Was wir jedoch nicht hinnehmen werden, ist die fortgesetzte Unfähigkeit und mangelnde Bereitschaft der Hamburger Linken, sich unabhängigvon identitärem Labeling dazu zu verhalten, dass antisemitische und antizionistische Positionen in der Hamburger Szene nach wie vor virulent sind.

Wir fordern deshalb dazu auf, antisemitische Schläger - auch linke – unmöglich zu machen. Da sich das antisemitische Ressentiment auf Grund seines durch und durch wahnhaften Charakters jederzeit in roher Gewalt entladen kann, ist es nicht unser Ziel, die ProtagonistInnen von SoL, TAN und B5 einem Benimmkurs zu unterziehen oder zu Mäßigung aufzurufen. Die gewalttätige Verhinderung des Lanzmann-Films ist kein Ausrutscher, sondern Programm. Sie steht für eine Verschränkung von Inhalt und Form. Unser Ziel ist die ideologiekritisch begründete politische und soziale Isolierung des gesamten Packs. Der 25.10. hat einmal mehr gezeigt, dass nicht nur das platte Land entbarbarisiert werden muss, sondern auch die Hamburger Brigittenstraße. Wir fordern deshalb die sofortige Schließung des internationalen Zentrums B5.

(Redebeitrag Demonstration gegen Antisemitismus, 13.12.09)


Was ist die »B5«?

Die »B5« ist die Trutzburg gewordene Gegenaufklärung des ‚Völker wollen Befreiung-Sozialismus’. Die nationalbolschewistische Umschmeichelung des ‚Volkes’, die ‚ehrwürdige’ Führerschaft von Thälmann, Stalin, Mao, Enver Hoca, Georges Habache und des „Presidente Gonzalo“. So vieles, was anderswo ausgelagert worden ist - nicht, weil es kritisch reflektiert und hiernach verworfen wurde, sondern weil es als inzwischen zu peinlich gilt - findet in der »B5« sein Refugium.

So fühlt die »B5« sich weniger von der Theoriegruppe »Kritikmaximierung«, die zuvor recht unverdächtige Veranstaltungen über „Kunst und Avantgarde“ oder „Krise und Kritik“ organisiert hatte, zwanghaft provoziert, als dadurch, dass ein antinational anmutender Zusammenschluss eine Doku über und womöglich für Israel in einem benachbarten Kino ankündigte, der »B5« also in ihrem Kiez die Definitionsmacht über Israel zu entgleiten drohte.

Gewöhnlich erwidert die »B5« ‚Warum Israel’ notorisch mit der geopolitischen Reproduktion des antisemitischen Ressentiments von der verschwörerischen ‚Anti-Nation’, also mit der sich in der »B5« offerierenden Ideologie von dem Zionismus als Staat gewordenen „Todfeind der Völker“ – so etwa in einer Broschüre der befreundeten KPD/ML, die in der »B5« als ausdrücklich empfohlene Lektüre ausliegt. Israel gilt hier ausschließlich als „Brückenkopf“ imperialistischer Okkupation, als Colt an der Schläfe der ‚autochthonen Völker’, also als eine als Staat lediglich sich dekorierende Verschwörung – jedoch keinesfalls als interime Notbehelfung der vom Antisemitismus Verfolgten und Bedrohten.

Wenn etwa die in der »B5« eingebettete »Palästina-Solidarität« auf die örtlichen Kiezfassaden eine Map plakatiert, auf der die Existenz Israels zugunsten eines palästinensischen Staates ausradiert ist, offenbart sich deutlich die Verschmelzung antizionistischer Ausmerzungssehnsüchte mit denen nach dem ‚organischen Volksstaat’, in dem die ‚autochthonen Völker’ zu ihrem Recht kommen: auf Herrschaft über die ‚eigenen’, inklusive, wie in Gaza oder Falluja praktiziert, Lynchjustiz an Homosexuellen und Abtrünnigen. Die Idiotie des Rufes nach dem ‚nationalen Selbstbestimmungsrecht’ reproduziert unweigerlich die bürgerliche Ideologie, dass der ‚legitime’ Staat die angestammten Rechte des Subjekts ‚Volk’ vollstrecke, also das natürlichste Gehäuse menschlichen Zusammenlebens sei. Die Ideologie, die deutsche ebenso wie die nationalbolschewistische, macht nun aus dem ehernen Zwang, der Angehörigkeit zu einem Staat, einen von der Natur auferlegten Inhalt – eine organische Beziehung des homogenisierten Staatsvolks zum politischen Souverän.

Folglich wird in der »B5« auch nicht der generelle Charakter repressiver Staatlichkeit und die Konstitution der empirischen Menschen, wie sie stehen und gehen, als nationalistische StaatsbürgerInnen, denunziert, sondern die vermeintliche Evidenz der Künstlichkeit des Staates Israels angemahnt. Der Zionismus, so die »B5«, sei ein „rassistisches Projekt“, mit dem „künstlich der jüdische Charakter gewahrt werden“ solle. Künstlich, so die Quintessenz des Antisemitismus, ist eben immer das Jüdische – natürlich und verwurzelt dagegen das ‚autochthone Volk’, dessen Schicksal im Staat, dem Exekutor seiner ‚nationalen Eigentlichkeit’, liege. Die Juden dagegen seien zum ‚Volksstaat’ unfähig, denn sie hätten, wie Stalin, eine der Autoritäten der »B5«, konstatierte, „keine mit der Scholle verbundene“ Bevölkerungsschicht, „die auf natürliche Weise die Nation nicht nur als ihr Gerippe, sondern auch als ‚nationaler Markt’ zusammenhält“. In der antiimperialistischen Begeisterung für Volk und Scholle bricht das Ressentiment der jüdischen ‚Anti-Nation’ durch, das zionistische ‚Gegen-Volk’ zu den auf ‚Blut und Boden’, d. h., Stalin folgend, auf ‚gewachsene Gemeinschaft’ sich berufenden ‚Völkern’.

In der »B5« verrät sich der ‚Völker wollen Befreiung-Sozialismus’ als notorische Verweigerung der Reflexion über das ‚Volk’ als die auf den Begriff gebrachte Einebnung des Individuums für das falsche Ganze. Weil dem ‚Volk’ der Zwang zur Projektion inhärent ist, kann eine Kritik, die das falsche Ganze denunziert, sich nur an das Individuum wenden, welches sich das ihm auferlegte Schicksal bewusst macht. Doch während der politische Souverän – der Staat oder die Bande – die Zusammenrottung von Menschen als Einheit deklariert und den einzelnen für das falsche Ganze einebnet, ideologisiert der antizionistische Befreiungsnationalismus der »B5« jenes Zwangskollektiv als revolutionäres Subjekt ‚Volk’ und legt der nationalen Konstitution der Massen eine honorig-sonore Etikette an.

„Unser Politikverständnis sowie unsere Praxis sind bekannt“, so die »B5« in der Erklärung zur ihrer ‚Antizionistischen Aktion’ am 25. Oktober vor dem b-movie. Für jene, denen die Hamburger Zustände nicht bekannt sind: Als etwa am 31. Januar 2004 auf einer ‚antifaschistischen’ Demonstration in Hamburg-Barmbek die Genoss_innen der antinationalen Gruppe »Kritik & Praxis Berlin« von den lokalen „Zärtlichkeiten der Völker“-Milizen aufgrund eines Transparents mit der Aufschrift „Deutschland denken heißt Auschwitz denken“ als vermeintliche „Antideutsche“ identifiziert worden sind, traten und schlugen etwa 30 bis 40 AntizionisInnen auf die vier anwesenden K&P-GenossInnen ein und entrissen ihnen unter „Intifada bis zum Sieg“-Parolen das ‚verräterische’ Transpi. Den Berliner GenossInnen zufolge soll von einzelnen mit Rufen wie „Die Juden sind an allem schuld“ ein unkaschierter Antisemitismus ausgebrüllt worden sein.

Im Januar dieses Jahres schloss sich die »B5« den von Milli Görüs und der Islamischen Republik Iran organisierten antiisraelischen Aufmärschen an. Zwar verweigerte man sich der erbetenen Trennung der Geschlechter, doch intonierte man mit Inbrunst die „Kindermörder Israel“-Parole, die so instinktsicher aus dem antisemitischen Ritualmordvorwurf schöpft. Am 20. Juni versuchten SchlägerInnen aus der »B5« eine Solidaritätsaktion für die um Freiheit streitenden Menschen im Iran zu sprengen, nachdem sie eine Komplizenschaft zwischen ‚abtrünnigen Exil-IranerInnen’ und ‚antideutschen ZionistInnen’ aufgespürt hatten. Somit machen sie mehr als deutlich, wem Militanz auf deutschen Straßen zu gelten habe: nicht dem deutschen, sondern dem jüdischen Staat Israel und seinen Freund_innen.

(Redebeitrag Demonstration gegen Antisemitismus, 13.12.09)

Auftakt Demonstration gegen Antisemitismus 13.12.09

Wir sind heute hier, weil es ein Skandal ist, dass der Film »Warum Israel« von Claude Lanzmann gewaltsam von Aktivist_innen aus dem Umfeld der B5, der SoL und der Tan verhindert wurde. Dass eine Aufführung dieses Films ausgerechnet in Deutschland, zumal von Linken, verhindert wurde, macht dieses Ereignis um so bitterer.

In einem Film, der die Bedeutung des jüdischen Staates als Konsequenz aus der industriellen Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden zur Zeit des Nationalsozialismus thematisiert, „menschenverachtende Hetze“ und „Kriegspropaganda“ (Zitate aus einem Flugblatt der Blockier_innen) zu sehen; sich von einem Film zu Israel derart provoziert zu fühlen, dass seine Vorführung mit Gewalt verhindert werden muss, lässt sich nur durch einen wahnhaften Hass gegen Israel erklären. Immer wieder wird von diesen und anderen Gruppen versucht, mal in Flugblättern, mal gewaltsam, ihre antisemitischen Ressentiments in pseudo-kritische Forderungen des Antizionismus zu verpacken, um dem Staat Israel sein Existenzrecht abzusprechen.

Einer solchen antisemitischen Vernichtungsrhetorik stellen wir uns heute entschieden entgegen.

Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass gewalttätige Antisemit_innen dem b-movie vorschreiben wollen, welche Filme es zu zeigen habe. Filme, die sich positiv auf den Staat Israel beziehen, müssen gezeigt werden können!

Leider haben in Hamburg gewalttätige Übergriffe auf israelsolidarische Personen, die vom Umfeld des »Internationalen Zentrums B5« ausgehen, eine längere Geschichte. Als 2002 im Freien Sender Kombinat (FSK) über linken Antisemitismus diskutiert wurde, griffen im Zuge dieser Auseinandersetzungen Personen aus dem Umfeld der B5 Radioaktivisten _innen an und brachen dabei einer Person mehrere Rippen. Seit dieser Zeit kam es vermehrt zu Bedrohungen und körperlichen Angriffen bis hin zu Stein- und Flaschenwürfen seitens des B5-Umfeldes. Im Januar 2004 wurden auf einer antifaschistischen Demonstration Personen von B5-Aktivist_innen angegriffen, weil sie Israel-Fahnen bei sich trugen. Körperliche Bedrohungen gehören seitdem in der politischen Auseinandersetzung zum gängigen Repertoire oben genannter Gruppierungen. Auch nach der Blockade des Films »Warum Israel« wurden Einzelpersonen gezielt eingeschüchtert und geschlagen.

Umso mehr freuen wir uns darüber, dass ihr heute auf der Straße seid um hier und heute klar und deutlich zu machen, dass emanzipatorische Politik nur gegen antisemitische Ressentiments durchgesetzt werden kann.

Das »Internationale Zentrum B5«, die Tierrechtsaktion Nord (TAN) und die »Sozialistische Linke« (SoL) müssen endlich aus sämtlichen linken und alternativen Strukturen ausgeschlossen werden.

Nur eine ernsthafte politische Isolierung kann sich ihrem antisemitischen und gewalttätigen Treiben wirksam entgegenstellen.

Kontakt

Über die Kommentarfunktion können Sie eine Nachricht ans Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten senden. Bitte geben Sie dabei Ihre Email-Adresse an.

Zusätzliche Vorführungstermine von »Warum Israel«

Aufgrund des breiten Interesses an Claude Lanzmanns Film »Warum Israel« und der leider nur sehr begrenzten Plätze im b-movie wird der Film heute, 13.12.09, noch an weiteren Orten in der Nähe des Kinos zu sehen sein.

18 Uhr // Markthof
Marktstr. 102 (Karoviertel). Eintritt frei.
Eine Veranstaltung von [a²] Hamburg in Kooperation mit Kritikmaximierung

18 Uhr // Schwarze Katze
Fettstr. 23 (Schanze/Eimsbüttel). Eintritt frei.
Eine Veranstaltung der FAU Hamburg

20 Uhr // Kunst- und Kulturverein Linda
Hein-Hoyer-Str. 13 (St. Pauli). b-movie zu Gast bei Linda.
Eintritt frei.

außerdem:
18.01.2010 // 19 Uhr // Uebel & Gefaehrlich
Filmvorführung mit anschließender Diskussion. Podium mit Claude Lanzmann, Hermann L. Gremliza (Konkret) und anderen.
Moderation: Max Dax (Spex).
Eine Veranstaltung vom Uebel & Gefaehrlich

What this is about


For what this is all about, see the translated original proclamation of the
Alliance Against Hamburg Unacceptabilities. A more detailed article on the events of October 25th, 2009 appeared in the Jerusalem Post, and Contested Terrain published translations of pieces from Redok and from Jungle World with some background.

Some support for the suppressed cause of anti-semites in Germany was provided by their special friends in Teheran, and some of the violent anti-zionist film censors explain why anything you can read on these pages is the work of zionist agents recently renamed "the anti-Germans".

Moishe Postone sent an address titled Hamburg 2009 - another German Autumn for the rally on December 13th.

Moishe Postone: Hamburg, 2009 – another German Autumn

I think it is politically important that so many on the Left are taking seriously the expressions of anti-Semitism that have become widespread among groups that regard themselves as anti-imperialist. Perhaps it can also lead to some long overdue theoretical clarification. At issue is not whether or not Israeli policies can be criticized. Israeli policies should be criticized, especially those aimed at undermining any possibility of a viable Palestinian state in the West Bank and Gaza. However, the critique of “Zionism” prevalent in many anti-imperialist circles goes beyond a critique of Israeli policies. It attributes to Israel and the “Zionists” a unique malevolence and global conspiratorial power. Israel is not criticized as other countries are criticized – but as the embodiment of that which is deeply and fundamentally evil. In short, the representation of Israel and the “Zionists” in this form of “anti-imperialist” “anti-Zionism” is essentially the same as that of the Jews in the virulent anti-Semitism that found its purest expression in Nazism. In both cases, the “solution” is the same – elimination in the name of emancipation.

The conventional Stalinist and Social Democratic representation of Nazism and fascism as simply tools of the capitalist class, used to crush working class organizations, always omitted one of their central dimensions: These movements, in terms of their own self-understanding and their mass appeal, were revolts. Nazism presented itself as a struggle for liberation (and supported “anti-imperialist” movements in the Arab world and India). The basis for this self-understanding was a fetishized understanding of capitalism: the abstract, intangible, global domination of capital was understood as the abstract, intangible global domination of the Jews. Far from simply being an attack on a minority, Nazis anti-Semitism understood itself as anti-hegemonic. Its aim was to free humanity from the ruthless ubiquitous domination of the Jews. It is because of its anti-hegemonic character that anti-Semitism poses a particular problem for the Left. It is the reason why, a century ago, anti-Semitism could be characterized as the “socialism of fools.” Today it can be characterized as the “anti-imperialism of fools.”

This anti-Semitic form of “anti-Zionism” is, unfortunately, not new. It was at the center of the Stalinist show trials of the early 1950s, especially in Czechoslovakia, when internationalist Communists, many of whom were Jews, were accused of being “Zionist agents” and shot. This coded form of anti-Semitism, whose origins had nothing to do with struggles in the Middle East, was then transported there by the Soviet Union and its allies during the Cold War – especially by the intelligence services of the DDR working with their Western and Middle Eastern clients (e.g. the RAF and various “radical” Palestinian groups).

This form of “leftist” anti-Zionism has converged with radical Arab nationalism and radical Islamism – which are no more progressive than any other form of radical nationalism, such as radical Albanian or Croatian nationalism, and for whom the eliminationist impulse towards Jews in Israel is justified as being directed against “European” colonizers. Whenever the eliminationist impulse towards Jews in Israel is strongest, the legitimacy of Israel is called into question most – with arguments ranging from the claim that most European Jews are not biologically Middle Eastern (a claim made in 1947 by the Arab Higher Committee and now recycled as a “new discovery” by Shlomo Sand) to the idea that they are simply European colonizers who, like the pied noir, should be sent home. It is unfortunate, if not surprising, that radical nationalists in the Middle East view the situation in these terms. It becomes perverse, however, when Europeans – especially Germans – identify the Jews, the group most persecuted and massacred by Europeans for a millennium, with those very Europeans. By identifying the Jews with their own murderous past, those Europeans can slip out of dealing with that burdensome legacy. The result is a mode that purports to fight the past, but actually continues and extends it.

This form of anti-Zionism is part of a campaign, gathering strength since the beginning of the second Intifada, to eliminate Israel. Its focus on the weakness of the Palestinians veils that ultimate intent. This form of anti-Zionism is part of the problem, not a part of the solution. Far from being progressive, it allies itself with radical Arab nationalists and Islamists, that is, with the radical Right in the Middle East, and, in so doing, strengthens the Israeli Right. It is constitutive of a war increasingly defined in zero-sum terms, which undermines any possible political solution, a recipe for an endless war. The hatred expressed by this anti-Zionism explodes the limits of politics, for it is as boundless as its imagined object. Such boundlessness points to the dream of elimination. The Germans, along with many other Europeans, know this eliminationist dream only too well. It is time finally to wake up.


(Address to the Demonstration against Antisemitism 13/12/09)

Click here for more information on the Hamburg incidents in English

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Halboffener Brief an Gruppe 170

Hallo Gruppe 170,

ich schreibe diese Mail, nachdem ich den Vorschlag für den Redebeitrag zum 13.12. gelesen habe. Ich verstehe ihn als halboffenen Brief, der ans Bündnisplenum und an euch geht. Auf dem Plenum am vergangenen Dienstag habe ich, nachdem angekündigt wurde, dass eure Gruppe gerne einen Redebeitrag halten möchte, dafür plädiert, dabei sehr offen zu sein, obwohl ihr keine Bündnisgruppe seid, dies aber ohne Probleme von unserer Seite hättet werden können. Meine Hauptgründe waren dabei natürlich zum einen, [ ... bündnisinterne Gründe gestrichen ...].

Der andere, für mich politisch wichtigere Grund, den ich auf dem Treffen genannt habe, ist der, dass ich in den Diskussionen um Antisemitismus eine Entwicklung für einen Fortschritt halten würde, in der verschiedene Positionen und Optionen im Kampf gegen Antisemitismus entstehen, und keine Diskussion darum geführt werden müsste, ob es überhaupt ein Problem gibt. Selbstverständlich gäbe es im Rahmen einer solchen Situation Positionen, von denen aus einige Entscheidungen, die das Bündnis explizit oder implizit gefällt hat, nicht vertretbar sind. Genauso selbstverständlich würde ich in dieser Situation für meine Sicht der Dinge werben und diejenigen politischen Aktionen unterstützen, die ich für die richtige Konsequenz meiner Analyse halte. Insofern wünsche ich mir, dass der Antisemitismus in der Zukunft, wie jeder andere untragbare gesellschaftliche Zustand auch, zum Gegenstand von Streits und Konflikten wird. Die Fähigkeit, Widersprüche und Konflikte darzulegen, auszutragen und auf ihre abschaffbaren Ursachen zurückzuführen, auch wenn die Abschaffung nicht unmittelbar Praxis werden kann, ist die unabdingbare Voraussetzung jeder Gesellschaftskritik, und die sollte sich die Linke auch im Fall des Antisemitismus erwerben.

Soviel zu meiner Motivation, für den von euch angefragten Redebeitrag ohne Kenntnis seines Inhalts zu plädieren. Mit Kenntnis des Inhalts, stellt sich die Situation für mich leider anders dar. Für im Rahmen des von mir gesagten befinden sich meines Erachtens diejenigen Passagen, die „eine vernunftbestimmte Auseinandersetzung mit dem Staat Israel“ anstreben. Käme es über diese Passagen zu einer Diskussion, würde ich darauf verweisen, dass ich dem zustimmen kann, würde aber die Frage aufwerfen, durch welche äußeren Umstände sich denn in dieser Welt wiederum die Vernunft bestimmt. Für meine Vermutung, dass ihr dies außer Acht lasst, würde ich etwa folgende Sätze anbringen: „Das heißt: Kritik an den aggressiven Anteilen der israelischen Politik des States Israel nicht reflexhaft mit der stereotypen Anklage des Antisemitismus zu begegnen. Eine kritiklose Zuwendung kennt keine Diskussion, nimmt den Staat Israel nicht ernst und fällt abgesehen davon hinter Positionen des israelischen Linken zurück.“

Die Sätze stimmen, nur wer kritisiert eigentlich Antisemitismus, ohne das zuvor tatsächlich antizionistisch/antisemitische Stereotypie vorgelegen hätte? Selbstverständlich gehört es zu den „aggressiven Anteilen der israelischen Politik“ und ist nicht reine Verteidigung, wenn etwa Anführer der Hamas angegriffen und getötet werden. Auch die israelische Armee setzt auf Optionen wie die präventive Schwächung des Gegners, zur Antwort auf die Frage welche Aktionen dieses Ziel erreichen und welche nicht unterhält sie einen Geheimdienst usw. Zu diskutieren wäre also, von welchen Bedingungen deren Vernunft bestimmt ist und dann hätten wir sicherlich einen Konflikt, aber eben im Rahmen des Gesagten.

Für die unmittelbare Bündnissituation wiederum stellt sich m. E. eine leicht andere Frage. Selbst wenn wir zu dem Ergebnis kämen, dass es solche reflexhaften Reaktionen irgendwo gibt: Wer im Bündnis reagiert auf die Art, die ihr kritisiert? Und wenn es welche gibt: Sind diese Gruppen so bestimmend, dass es euch unmöglich ist, eure Position einzubringen? An welchen Äußerungen macht ihr das fest?

Ihr unterlasst eine solche Argumentation weitgehend die einzige entsprechende Passage ist die zur Barmbeker Demo – und redet statt dessen allgemein von der „Theorie und Praxis antideutscher Gruppen“. Die Passage zur Barmbeker Demo ist mir zudem die unverständlichste eures Textes. Meines Wissens ist es unstrittig, dass diejenigen, gegen die sich die Demonstration richtet, am Herausprügeln der FahnenträgerInnen aus der Demo beteiligt waren. Wie könnt ihr dann sagen, dass sie „nicht eines Geistes mit Antisemiten“ seien, „wegen derer wir heute hier auf der Straße stehen“? Sicherlich, in Barmbek waren noch mehr Leute beteiligt, die „keine Nationalfahnen“ Begründung war die zentrale, aber das Mindestmaß an Eingeständnis in einer solchen Situation ist dann aber doch wohl, dass sich offensichtlich mit dieser Begründung derjenige Antisemitismus verdecken lässt, dem auch ihre eine „radikale und vollständige Absage“ erteilen möchtet. Warum seid ihr euch so sicher, dass dies auf diejenigen, die nicht am 25.10 den erneuten Beweis für die Richtigkeit der damaligen Kritik geliefert haben, nicht auch zutrifft?

Statt dessen gibt es jene Passagen zu antideutscher Theorie und Praxis, bei denen ich mich noch stärker frage, woran ihr diese Praxis fest macht. An der Stelle, an der ihr euch fragt, was das Motiv zur Aufführung gewesen sein könnte, vergesst ihr schlichtweg, dass an der Entscheidung zur Aufführung auch noch das b-movie beteiligt war. Zweifellos keine antideutsche Gruppe, die den Film einfach für einen interessanten Programmpunkt gehalten haben könnte. Oder findet ihr, dass diese automatisch auf die „politisch und neurotisch gespeisten Extreme“ der einen von euch als unversöhnlich gegenüberstehenden Seiten Rücksicht nehmen müssen, weil sie die Toiletten teilen und den gleichen Vermieter haben?

An den Stellen zur antideutschen Theorie und Praxis finde ich wiederum nur kaum begründete Vorstellungen. Um es klar zu sagen: Ein nicht kleiner Teil des Bündnisses SIND jene antideutschen Gruppen, von denen ihr behauptet zu reden. Wenn ihr etwas an deren/unserer Theorie zu bemängeln habt, bezieht es auf Passagen, die sie/wir geschrieben haben. Wer hat wann und wo behauptet, Angriffe auf uns seien generell antisemitisch? Wir kennen durchaus noch andere Begriffe und Erklärungen für die Vorgänge in dieser Welt, ihr vermutlich auch, und wenn ihr glaubt, der uns unterstellten Erklärung (Antisemitismus) eine andere entgegenstellen zu müssen, tut dies doch einfach. Und dass Gruppen verfeindet sind, ist keine Erklärung für etwas, sondern das zu Erklärende selbst. Wenn ihr Gegenteiliges behauptet, gebt ihr nicht Aussagen von Bündnisgruppen wieder, sondern die auf den Fake-Blogs geäußerten Phantasien, die mit dem Namen des Bündnisses und dem von Kritikmaximierung ins Internet gestellt wurden und bei denen es sich wohl um eine Art Nach-Vorne-Verteidigung handeln soll. Falls ihr sie nicht kennt, kann ich euch die Links gerne zukommen lassen.

Ihr wiederholt damit und mit der Behauptung, der Film sei nicht wegen des Films, „sondern wegen der unversöhnlichen Feindschaft zwischen den beteiligten Gruppen“ verhindert worden, die zentrale Verteidigung von B5, Sol und TAN. Ich denke es wird euch nicht überraschen, dass meine Motive, sich für den Beitrag auszusprechen, damit gegenstandslos geworden sind. Und ich hoffe, dass die anderen, die sich tendenziell für diesen ausgesprochen haben, dies genauso sehen.

Und zur Praxis: Diese Demo, an der ihr euch ja offensichtlich beteiligen wollt, wenn auch nicht als AufruferInnen, IST unsere Praxis. Und wenn ihr es denn tut, wird es auch eure sein. Wenn diese Praxis und ihre Folgen zu einer Spaltung der „ autonomen Bewegung“ führt (oder bereits geführt hat?), wird es das Ergebnis einer notwendigen inhaltlichen Klärung, und nicht unserer Rhetorik geschuldet gewesen sein. Es ist auch eure „radikale und vollständige Absage“, die zu einer solchen Spaltung führen kann. Eine solches Resultat solltet ihr dann auch eurem politischen Verstand zurechnen können. Und ob eine solche Spaltung zu einer Zerstörung der „autonomen Bewegung“ führt, oder ob eine Zerstörung nicht eher darin bestünde, zu einem zentralen Ausdruck der bestehenden Herrschaftsverhältnisse keine radikale Kritik erarbeiten zu können, dies zu beantworten überlasse ich euch.

Denn die Basis dafür – ich denke das ist unstrittig –, dass es überhaupt Antisemitismusstreits innerhalb der Linken gibt, ist doch wohl die Entstehung der antideutschen Linken. Mit wem zusammen würdet ihr denn eure „radikale und vollständige Absage“ demonstrieren, wenn nicht zusammen mit denjenigen, die sich seit Jahren unbeliebt damit machen, dass sie über Antisemitismus reden? Welches Bündnis hättet ihr alternativ gegründet?

Mit Grüßen, für die ich kein Wort kenne

jm